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Freitag, 15. Juli 2016

New York Times: Ein saudischer Moralpolizist rief auf zu einem liberaleren Islam. Dann begannen die Todesdrohungen. Teil 7

Teil 7: Kein Platz für Einsprüche


Eines Abends in Jiddah hat mich ein Universitätsprofessor zu sich zum Abendessen eingeladen. Seine Frau, eine Ärztin, aß mit uns und hatte ihre Haare in ein modisches Kopftuch gewickelt.

Die hatten vor kurzem geheiratet und er machte Witze darüber, dass sie für einander bestimmt seien, weil sie gut kochen könne und er sei ein guter Esser. Seine Frau freute sich und gab ihm mehr Suppe.

Ich fragte nach Herrn Ghamdi.

"Was ich lese und was ich bislang sah sagt mir, er hat recht und er stand dafür ein woran er glaubte," sagte der Professor. "Ich bewundere das."

Das Problem sei, sagte er, dass die Toleranz für abweichende Ansichten in der saudischen Gesellschaft nicht gelehrt würden.

"Entweder du machst, was ich sage, oder ich beschimpfe dich, tue dir weh und schliesse dich vom Diskurs aus," sagte er. "Das ist Anti-Islam. Wir haben viele Leute bei uns, die anders denken. Man kann kämpfen, aber letztlich leben wir unter einem Dach."

Sine Ehefrau hatte kein Problem mit der Geschlechtervermischung bei der Arbeit, mochte es aber nicht, dass Herr Ghamdi einen Skandal verursachte, als er seine Frau öffentlich zeigte. Die königliche Familie legt Regeln fest und es war unangemessen für die Untertanen eine öffentliche Kampagne zu unternehmen, um welche zu ändern, sagte sie.

"Er muss dem Herrscher folgen," sagte sie. "Würde jeder machen was er will, dann hätten wir Chaos."

Nach dem Essen kam ein junger Kleriker, der für den Sicherheitsdienst arbeitet vorbei. Auch er stimmte mit Herrn Ghamdi überein, würde es aber nicht öffentlich ansprechen. Die Reaktionen waren, so sagte er, Teil des tief verwurzelten Konservativismus in der klerikalen Elite und sei auf die Ursache, welche die Entwicklung verhindere.

Er gab den Sicherheitsbeamten oft Vorträge gefolgt von Diskussionen und eine oft gestellte Frage war "Ist die Militäruniform nicht haram?" Viele Wahhabische Kleriker predigen gegen die Nachahmung der Ungläubigen, weil es zu Verwirrungen führt.

Er glaubt, das Tragen der Uniformen sie in Ordnung und sorgte sich, dass ein solch engstirniges Denken die Leute empfänglich macht für Extremismus.

"Es ist wie bei diesen amerikanischen Filmen, wenn sie einen Roboter erfinden, die Kontrolle darüber verlieren und dann greift er seine Erfinder an und die Fernsteuerung geht nicht mehr," sagte er.

Am nächsten Tag bedankte sich der Professor bei mir mit einer SMS.

"Ich möchte Sie daran erinnern, dass eine Geschichte, die Ihre Quelle entblöst uns schaden kann. Ich vertraue Ihrer Diskretion," schrieb er gefolgt von drei Smilies.

Alles was da noch zu tun war, war ein Gespräch mit der Kommission. Was dachten dessen Leiter und Kader über all das? Doch obwohl die Kraft als allmächtig und immer präsent scheinend protraitiert wird waren sie dann doch überraschend scheu.

Ich konnte leider nicht Herrn Ghamdis ehemaliges Büro besuchen, da Nicht-Moslems der Zutritt zu Mekka verboten ist. Daher blieb mir nichts anderes übrig als eine Vielzahl meiner Kontakte zu fragen, ob ich ein Interview mit Verwandten machen könne, die bei der Kommission arbeiten, aber sie wollten alle nicht. Daraufhin rief ich den Sprecher der Kommission an, der mir mitteilte, dass er unterwegs sei und dann hörte er auf meine Anrufe zu beantworten.

Ich ging sogar beim Hauptquartier der Kommission vorbei, einem kastenartigen Gebäude aus Stahl und Glas nahe einer Autobahn in Riad zwischen einer Tankstelle und einem Autohändler. Auf ihrer Internetseite standen die Öffnungszeiten des Direktors, und so bin ich einfach hingegangen, durch die Hallen voller geschäftiger bärtiger Männer und polierten Plakaten mit der Beschriftung "Eine Polizei der Exzellenz" und "Gemeinsam gegen Korruption."

"Er kam heute gar nicht," sagte mir die Sekretärin des Direktors. "Vielleicht nächste Woche."

Auf meinem Weg raus luden mich dann zwei Männer auf einen Kaffee in ihr Büro ein.

"Wie gefällt es euch bei der Kommission?" fragte ich.

"Jeder, der hier anfängt liebt die Arbeit," sagte einer. Es sei eine Arbeit für "die gesamte islamische Nation," und es fühle sich gut an "die Menschen vonder Dunkelheit zurück ins Licht zu führen."

Der andere Mann war seit 15 Jahre bei der Kommission und sagte er würde lieber im Büro arbeiten.

"Man kann in der Verwaltung in Ruhe arbeiten," sagte er. "Draußen haben wir Probleme mit den Leuten. Sie nennen uns Religionspolizei. Kriminelle! Diebe! Man kann da draußen nie richtig ausruhen."

Ein böse blickender Mann erschien an der Tür und sagte mir, ich dürfe keine Gespräche mehr führen. Der erste Mann ging dann schnell. Der zweite bot mir mehr Kaffee an, dann Tee und zwang mich dann, eine Flasche mit Wasser zu nehmen, als ich ging. weiter hier



Teil 1: Ein saudischer Moralpolizist
Teil 2: Probleme im Verständnis
Teil 3: Fragt erst gar nicht nach Schwulenrechten
Teil 4: Was ist ein Wahhabi?
Teil 5: Ein Durcheinander an Fatwas
Teil 6: Ein unerwarteter Reformer
Teil 7: Kein Platz für Einsprüche
Teil 8: Reform auf die harte Tour



Im Original: A Saudi Morals Enforcer Called for a More Liberal Islam. Then the Death Threats Began.

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