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Freitag, 15. Juli 2016

New York Times: Ein saudischer Moralpolizist rief auf zu einem liberaleren Islam. Dann begannen die Todesdrohungen. Teil 2

Teil 2: Verständnisprobleme


Ich kam nach Saudi Arabien um den Wahhabismus zu studieren, diesen hyperkonservativen saudischen Zweig des sunnitischen Islam, der oftmals für das Aufflammen von Intoleranz in der Welt verantwortlich gemacht wird - wie auch den Terrorismus. Ich verbrachte Wochen in Riad, Jiddah und anderen Städten, wo ich mit Scheichs sprach, Imamen, Theologieprofessoren und vielen anderen und versuchte, die Schichten dieser geschlossenen und privaten Gesellschaft zu durchdringen.

Für einen westlichen Gast ist Saudi Arabien eine verwirrende Mischung aus modernem Urbanismus, Wüstenkultur und dem nie enden wollenden Bemühen, sich einer rigiden Interpretation von mehr als 1.000 Jahre alten Schriften zu unterwerfen. Es ist ein vom Ölreichtum geflutetes Königreich voller Hochhäuser, SUVs und Einkaufszentren, wo Fragen, wie man sein Geld investieren solle, wie man mit Nicht-Moslems interagiert, oder selbst, wie man Katzen behandeln soll beantwortet werden mit Koranzitaten, oder Geschichten von Prophet Mohammed.

Die Religion ist fest mit dem täglichen Leben verwoben. Banken beschäftigen Kleriker, um sicherzustellen, dass sie die Scharia einhalten. Schaufensterpuppen haben keine Köpfe, da das Abbilden menschlicher Formen verboten ist. Und Schulbücher schreiben vor, wie Jungen ihre Haare schneiden müssen, wie Mädchen ihre Körper zu verhüllen haben und wie oft eine Person seine Schamhaare stutzen soll.

Da der Islam als Vollprogramm für menschliches Leben ausgelegt ist, sind die Interpretationen sehr wichtig, wenn es um die Praxis geht. Die saudische Interpretation entstammt dem Konservativismus Zentralarabiens, insbesondere wenn es um die Beziehung zwischen Mann und Frau geht.

In der Öffentlichkeit tragen Frauen meist sackartige schwarze Roben genannt Abaya, die ihre Formen verbergen sollen, und dazu Schleier, die ihre Haare und Gesichter verbergen und nur Schlitze für die Augen lassen. Restaurants haben getrennte Bereiche für "Familien", also Gruppen inklusive Frauen, und "Singles", was für Männer steht.

Viele Saudis vermischen sich privat und Männer und Frauen können sich gewöhnlich problemlos in Hotellobbys treffen. Andere wollen sich nicht mischen und erachten die Geschlechtertrennung als Teil ihrer kulturellen Identität. In einigen konservativen Zirkeln gibt es Männer, die ihr Leben lang kein Frauengesicht sehen jenseits ihrer eigenen unmittelbaren Familie - also auch nicht das der Schwägerin.

Im Königreich werden alle anderen Religionen unterdrückt. Nicht nur gibt es keine öffentlichen Kirchen, es gibt auch kein "Church's Chicken" (es nennt sich dort Texas Chicken.) Als ich danach frage verneinen die Saudis, dass es sich um Intoleranz handelt. Sie vergleichen ihr Land mit dem Vatikan und sagen, dass es ein einzigartiger Ort ist für Moslems und habe deswegen seine ganz eigenen Regeln.

Politiker mit denen ich sprach waren verärgert über das zunehmend schlechte Bild des Königreichs im Ausland und sagten wieder und wieder, dass sie einen "moderaten Islam" vertreten.

Aber was genau meinten sie denn mit "moderater Islam"? Das Auseinanderfriemeln des Begriff machte schnell klar, wie weit die Werte auseinander liegen zwischen den Saudis und ihren amerikanischen Verbündeten. Der "moderate Islam" des Königreichs enthauptet Kriminelle öffentlich, bestraft Apostaten und hindert Frauen an Auslandsreisen, wenn sie nicht die Erlaubnis eines männlichen "Wächters" haben. weiter hier



Teil 1: Ein saudischer Moralpolizist
Teil 2: Probleme im Verständnis
Teil 3: Fragt erst gar nicht nach Schwulenrechten
Teil 4: Was ist ein Wahhabi?
Teil 5: Ein Durcheinander an Fatwas
Teil 6: Ein unerwarteter Reformer
Teil 7: Kein Platz für Einsprüche
Teil 8: Reform auf die harte Tour




Im Original: A Saudi Morals Enforcer Called for a More Liberal Islam. Then the Death Threats Began.

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