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Freitag, 15. Juli 2016

New York Times: Ein saudischer Moralpolizist rief auf zu einem liberaleren Islam. Dann begannen die Todesdrohungen. Teil 8

Teil 8: Reform auf die harte Tour


Die erste Ironie an Herrn Ghamdis Situation ist, dass ihm viele Saudis, darunter Mitglieder der Königsfamilie und sogar wichtige Kleriker zustimmen, wenn auch nur privat. Und das öffentliche Vermischen der Geschlechter ist an einigen Orten möglich - Krankenhäuser, Konferenzen und in Mekka während der Pilgerfahrt - und häufig. In einigen saudischen Städten ist es nicht unüblich das Gesicht von Frauen zu sehen, oder gar ihre Haare.

Aber es gibt eine Spaltung in der Gesellschaft zwischen Konservativen, die das erhalten wollen, was sie als die pure islamische Identität des Königreichs erachten und Liberalen (im saudischen Kontext), die mehr individuelle Freiheiten wollen. Liberale vertreten immer die Meinungen, wie sie auch Herr Ghamdi vertritt. Aber die Scheichs machen das nicht, weswegen er auch als Verräter gebrandmarkt wurde.

Dei zweite Ironie liegt in den Reformen, die Saudi Arabien dieses Jahr beschlossen hat, und die teilweise dem entsprechen, was Herr Ghamdi gefordert hat.

Es war ein hartes Jahr für die Kommission. Ein Video ging viral, auf dem ein Mädchen weinend zu sehen ist, als sie vor einem Einkaufszentrum in Riad bei einer Konfrontation mit der Kommission auf den Boden geworfen wurde, und wobei ihr Schleier so verrutscht ist, dass ihr Kopf, ihre Beine und der Torso zu sehen war. Für viele Saudis ist das "Nakheel Mädchen" ein Symbol dafür, wie die Kommission über das Ziel hinausschiesst.

Dann verhatete die Kommission Ali al-Oleyani, einen beliebten Fernsehmoderator, der oft die religiösen Erscheinungen kritisierte. Fotos tauchten im Internet auf, die Herrn Oleyani in Handschellen zeigen und mit Schnapsflaschen. Die Fotos waren offenbar gestellt und als Versuch einer öffentlichen Charakterhinrichtung des Mannes gedacht. Viele Menschen waren verärgert darüber.

Im April reagierte die Regierung mit einem überraschenden Dekret, das die Religionspolizei einschränkt. Es verweigert ihr die Macht, Verhaftungen vorzunehmen, oder Verdächtige zu befragen oder verfolgen, zwingt sie dazu, mit der regulären Polizei zusammenzuarbeiten und verlangt, dass sie in ihren Interaktionen mit der Bevölkerung "freundlich und zurückhaltend" sind.

Herr Ghamdi begrüßte die Entscheidung, auch wenn er ein Aussätziger bleibt, ein Scheich, dessen Positionen ihn im islamischen Königreich unmöglich gemacht haben.

Inzwischen hält er sich im Hintergrund, weil er noch immer beleidigt wird, wenn er öffentlich auftritt. Er hat keine Arbeit, veröffentlicht aber regelmässige Zeitungskolumnen, vor allem im Ausland.

Zum Ende unserer letzten Unterhaltung kam seine Frau Jawahir dazu, sie trug einen schwarzen Abaya und zeigte ihr Gesicht. Sie schüttelte meine Hand duftete nach Parfum und saß neben ihrem Ehemann.

Die Erfahrung veränderte ihr Leben in unerwarteter Weise sagte sie. Und wie ihr Ehemann bereut auch sie nichts davon.

"Unsere Botschaft ist raus und das Ziel war es nicht weiter aufzutreten und berühmt zu werden," sagte sie. "Es ging darum eine Botschaft an die Gesellschaft zu schicken, dass die Religion nichts mit Sitten und Traditionen zu tun hat. Religion ist etwas ganz anderes."



Teil 1: Ein saudischer Moralpolizist
Teil 2: Probleme im Verständnis
Teil 3: Fragt erst gar nicht nach Schwulenrechten
Teil 4: Was ist ein Wahhabi?
Teil 5: Ein Durcheinander an Fatwas
Teil 6: Ein unerwarteter Reformer
Teil 7: Kein Platz für Einsprüche
Teil 8: Reform auf die harte Tour



Im Original: A Saudi Morals Enforcer Called for a More Liberal Islam. Then the Death Threats Began.

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