Progressive sind eingestigen in die Wahlkämpfe von Staatsanwälten, um so zu einer Justizreform zu gelangen - und der Milliardeninvestor Soros schiesst das notwendige Geld dazu. Von Scott Bland, 30. August 2016
Während Amerikas politische Königsmacher ihre Millionen in allseits beachtete Präsidentschafts- und Kongresswahlen investieren ging der demokratische Megaspender George Soros dazu über, seinen Wohlstand 2016 an Kampagnen zu verteilen, die unter dem Rader der Aufmerksamkeit ablaufen, um damit ein progressives Kernziel zu verfolgen - der Umbau des amerikanischen Justizsystems.
Der Milliardeninvestor hat dafür im letzten Jahr in sechs verschiedenen Bundesstaaten für sieben Wahlkampagnen von Bezirksstaatsanwälten bereits über 3 Millionen Dollar gegeben - eine Summe, die mit Ausnahme weniger Superspender alle anderen Spenden, die bislang an die diesjährigen Präsidentschaftskandidaten gingen in den Schatten stellt.
Mit seinem Geld wurden Schwarze und Latinokandidaten unterstützt, um in die vor Ort mächtigen Rollen zu gelangen, wobei alle von ihnen mit Programmen antraten, die mit Soros Vorstellungen übereinstimmen, wie etwa der Reduktion rassischer Unterschiede bei Verurteilungen und die Verbringung von Drogenhändlern in soziale Projekte anstatt anstatt vor Gericht.
Es ist die mit Abstand greifbarste progressive Operation, um einer Justizreform den Boden zu bereiten und zu finanzieren, indem reformoritentierten Kandidaten in Positionen gebracht werden, die bislang lange Zeit von den Amtsinhabern gehalten wurden und die in der Regel als Sprungbrett für höhere Bundeskarrieren dienen - und das ganze hat bereits den Zorn von Gegnern hervorgerufen wegen der Beeinflussung lokaler Wahlen durch Außenstehende.
"Staatsanwälte haben im System die größte Macht und benötigen äußerste Diskretion. Das ist unglaublich wichtig," sagte Andrea Dew Steele, Präsidentin von Emerge America, einer Organisation für das Training weiblicher Kandidaten der Demokraten. "Es gab in den letzten Jahren plötzlich eine Häufung von Ereignissen, weswegen die Gemeinde der Progressiven langsam aufgewacht ist."
Soros hat über ein Netzwerk von bundesstaatlichen Super PACs und einer nationalen "527" Gruppe ohne gesetzliche Spendengrenze Geld für Beszirksstaatsanwaltskampagnen in Florida, Illinois, Louisiana, Mississippi, New Mexico und Texas gegeben, von denen jeder eine Variation des Namens "Sicherheit und Gerechtigkeit" trägt. (Soros hat auch einen bundesweiten Super PAC mit dem selben Namen gegründet.) Jede Organisation erhielt das meiste ihres Geldes direkt von Soros, wie die öffentlich einsehbare bundesstaatliche und bundesweite Finanzdokumente belegen, wobei einige Gruppen auch Spenden von Stiftungen erhielten, wie Civic Partizipation Action Fund [Fond für die Durchsetzung bürgerlicher Teilhabe, d.R.], welcher der Sicherheits- und Gerechtigkeitsgruppe in Illinois ebenfalls Geld spendete.
Die Gruppe für Sicherheit und Gerechtigkeit in Florida pumpte kürzlich vor der Abstimmung am Dienstag 975.000 Dollar - die komplett von Soros und seiner 527 Gruppe kamen - in eine vormals nur mit wenig Geld ausgestattete demokratische Vorauswahl für einen bundesstaatlichen Staatsanwalt in Zentralflorida. Die Gruppe unterstützt dabei Aramis Ayala, eine ehemalige Verteidigern und Anwältin, die ihre Kampagne gegen den Amtsinhaber Jeff Ashton führt, dessen Machtbereich sich auf 1,6 Millionen Menschen in zwei Landkreisen im Umland von Orlando erstreckt.
Eine Fernsehwerbung von Sicherheit und Gerechtigkeit in Florida bewirbt Ayala, dass sie "gegen die Verzerrungen antritt und dafür sorgen will, dass Angeklagte des gleichen Verbrechens auch die gleiche Strafe erhalten, und das unabhängig von ihrem Hintergrund oder ihrer Rasse." Die von Soros finanzierte Gruppe greift dabei auch Ashton an, von dem die Werbung meint, dass er "die Schutzmechanismen abschaffte, welche für die gleiche Behandlung unabhängig von Hintergrund oder Rasse sorgten ... Beispielsweise gab es zwei vergleichbare Autounfälle in einer Nacht. Ein weißer Mann kam davon mit einer lächerlichen Strafe, während der Schwarze mit einer Gefängnisstrafe rechnen muss."
Gegner von Soros favorisierten Kandidaten haben sich auf den Milliardär eingeschossen und meinen, sein Einfluss habe die Relationen bei Lokalwahlen kaputt gemacht und werfen ihm sogar vor, die Einwohner weniger sicher zu machen.
"Als Kandidat und Bürger von Caddo Parish will ich ihnen sagen, dass wenn ein Außenstehender sein Interesse an einer Lokalwahl zeigt, dann muss absolut klar sein, was er mit dem Justizsystem vor hat für den Fall, dass er gewinnt," sagte Dhu Thompson, ein Anwalt aus Louisiana, der die Stelle als Bezirksstaatsanwalt 2015 an den von Soros unterstützten Kandidaten James Stewart verlor. Soros gab dafür 930.000 Dollar - mehr als 22 Mal so viel wie ein Durchschnittshaushalt in der Region zur Verfügung hat - damit die Gruppe Stwart bewerben konnte.
"Ich kenne einige seiner verstörenden Ansichten hinsichtlich sozialer Themen, insbesondere wenn es um die Strafjustiz geht," sagte Thompson. "Ich habe ihn nie als Person gekannt, die sehr stark war bei Verbrechens- und Bestrafungsthemen. Ich denke, dass es der Sicherheit von Casso Parish diametral entgegen wirken wird, und daher habe ich mich so scharf gegen ihn positioniert."
Ein Vertreter von Soros lehnte einen Kommentar zu dessen Beteiligung an solchen Wahlkämpfen ab.
Progressive Funktionäre und Aktivisten sagten, die seit kurzem nach oben gegangene Berichterstattung zu Rassethemen bei der Justiz, insbesondere wegen der toten Schwarzen durch die Polizei, halfen dabei, ein intensives neues Interesse an der mächtigen Rolle der Bezirksstaatsanwälte zu wecken, welche die Beamten in einigen herausragenden Fällen nicht angeklagt haben. Genau so war es auch mit der Aufmerksamkeit für eine langfristige Reform, um die US Gefängnisbevölkerung zu verringern und der Umgang bei Drogendelikten, wobei Therapieprogramme die Bestrafung ersetzen sollen.
Refromgruppen bewerben inzwischen seit Jahren Maßnahmen zur Justizpolitik und -gesetzgebung, mit welchen die Zahl der Insassen verringert würden. Liberale Spender geben seit langem schon Geld an solche Organisationen; die von Soros geleitete Open Society Stiftung beispielsweise arbeitet an einer Reform für die Drogen- und Verbrechensjustiz, und hat auch andere Reformgruppen unterstützt, wie etwa die in Kalifornien ansässige Allianz für Sicherheit und Gerechtigkeit - die trotz ihres ähnlichen Namens nichts mit den Wahlkämpfen um die Bezirksstaatsanwaltschaften zu tun hatte, wie deren Sprecherin meinte.
Die Entscheidung über Anklagen gibt Bezirksstaatsanwählten ein großes Mitspracherecht, wenn es um die Vorwürfe und Strafen geht, die ein Angeklagter erwarten muss. Reformbemühungen aber zielten nicht immer darauf, diese Macht zu nutzen.
"Das ist oft ein sehr unsichtbarer Teil des Justizapparates und des politischen Systems," sagte Brenda Carter, Direktorin der Reflective Democracy Kampagne, einem Arm des progressiven Spenderfrauennetzwerks. "Viele Menschen wissen nicht einmal den Namen ihres Bezirksstaatswanwaltes. Es ist kein Amt, über das die Leute viel nachdenken."
Carters Gruppe vergab 2015 einen Forschungsauftrag, bei dem herauskam, dass 95 Prozent aller vor Ort gewählten Staatsanwälte in den USA weiß sind und dreiviertel von ihnen weiße Männer. Dabei wurde auch eine Studie der Wake Universität hervorgehoben, wonach sich die übergroße Mehrheit der Staatsanwälte - 85 Prozent - ohne Gegner für die Widerwahl bewirbt.
"Ich fand das schockierend, und ich denke, die Leute wachen langsam auf und sehen dieses unangezapfte Potential für Interventionen, um die alltäglichen Realitäten unseres Straf- und Justizsystems wirklich zu ändern," sagte Carter. "...Es war wirklich zufriedenstellend für uns, als die Forschungsergebnisse von unterschiedlichen Gruppen im Land aufgegriffen wurden."
Bewaffnet mit diesem Wissen begannen progressive Gruppen damit, im ganzen Land potentiell interessante Staatsanwaltschaftsrennen herauszufiltern, wie viele Quellen bestätigten... Weiterlesen beim zweiten Teil.
Im Original: George Soros' quiet overhaul of the U.S. justice system
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