8. Juni 2016
Vor kurzem noch war Malawi ein Spenderliebling. In Armut versunken und von AIDS heimgesucht waren sie wahrlich bedürftig; mit lediglich 17 Millionen Einwohnern könnte ein Klumpen Hilfsgelder tatsächlich sichtbar etwas bewegen. Darüber hinaus war es mehr oder weniger demokratisch und der Regierungschef Joyce Banda war ein willkommener Gast in Westminster und dem Weißen Haus. 2012 haben westliche Länder über dem Land 1,17 Milliarden Dollar abgeworfen, wobei die Entwicklungshilfe insgesamt einen Anteil von 28% am BIP des Landes hatte.
Im Jahr danach haben dann korrupte Beamte, Geschäftsleute und Politiker in gerade einmal sechs Monaten mindestens 30 Millionen Dollar aus der malawischen Staatskasse gestohlen. Ein für die Untersuchung des Diebstahls verantwortlicher Politiker wurden dreimal angeschossen (überlebte aber irgendwie). Deutschland sagte, es würde bei der Finanzierung der Untersuchung helfen; später haben dann Einbrecher das Haus eines deutschen Vertreters durchsucht und Dokumente im Zusammenhang mit dem Skandal gestohlen. Malawi ist nicht mehr der Spenderliebling. Es wurde zum anhänglichen Liebhaber, der fallen gelassen würde, wäre er nicht so notleidend. Noch immer bekommt das Land eine Menge Entwicklungshilfe (2014: 930 Milionen Dollar), aber die Spender versuchen das Geld von den Händen der Regierung fernzuhalten.
Entwicklungshilfe kann durchaus Wunder bewirken. Südkorea und Taiwan wurden damit auf den Pfad zum Wohlstand gebracht, sie half in den 1970ern die Pocken auszurotten und hat Polio fast ausgerottet. Unglücklicherweise wird sie wie Malawi zeigt gerne von Gaunern ausgenutzt. Hilfe kann auch eine Belastung für schwache Bürokratien sein, Märkte verzerren, Diktatoren helfen und Bürgerkriege verlängern. Die Steuerzahler in reichen Ländern mögen es nicht, wenn ihre Gelder für neue Mercedes ausgegeben werden. Daher versuchen die Spender, die richtige Art der Hilfe zu schicken und das an die Orte, wo es am meisten helfen wird. Wie gut aber funktioniert das?
Vor einem Jahrzehnt haben Regierungen aus reichen und armen Ländern versucht, gute Hilfe zu definieren. Sie erklärten, dass Hilfe das Los der Armen verbessern soll - und nicht indirekt freundlich gesinnte Diktatoren oder erfolgreiche Exportunternehmen. Es sollte koordiniert ablaufen; andernfalls, so sagt William Easterly von der Universität von New York, "müsste sich der arme Gesundheitsminister mit dutzenden unterschiedlichen Spendern und dutzenden unterschiedlichen Formularen herumschlagen." Es sollte transparent ablaufen. Wo es möglich ist sollte es über die Regierung laufen.
Das sind heere Ziele und spiegeln die Zeit wieder, in der sie angestrebt wurden: Der Kalte Krieg war vorbei und der Westen hatte eine Menge Geld. Sie sind fraglos stimmig. Beobachter der Hilfsszene, die erbittert darüber debattieren, ob die Welt mehr oder weniger Entwicklungshilfe braucht, stimmen ihnen überwiegend zu. Manche fügen an, dass Hilfe nur an die relativ freien und gut geführten Länder gehen sollte.
Aber gemessen an fast aller dieser Kriterien scheitert die Entwicklungshilfe. Sie ist so koordiniert wie ein Bällebad voller Besoffener. Viel von dem Geld geht weder an arme Menschen, noch an gut geführte Länder und einige der Maßnahmen verschlimmern die Situation. Spender versuchen gute Regierungen zu belohnen und Schlechte zu bestrafen, aber ihre Bemühungen werden von anderen Ländern und ihrer eigenen Ungeduld unterminiert. Es ist außerordentlich erstaunlich, dass so viele schlaue, gutmeinenden Menschen so ein Chaos produzieren können.
Die offizielle Entwicklungshilfe, die Zahlungen, Kredite, technische Hilfe und Schuldenschnitte beinhaltet beläuft sich auf etwa 130 Milliarden Dollar im Jahr. Die Kanäle haben ihre Quellen in Berlin, London, Paris, Tokyo und Washington und diese sind tief und haben einen hohen Druck; andere kleinere Wasserläufe kommen aus den nordischen Ländern und sind bekannt für ihre Spendenbereitschaft. Mehr als vierzig Prozent der Gelder fliessen über multilaterale Organisationen wie die Weltbank, die UN und den Global Fund. Letztes Jahr wurden in den Spenderländen 9% für Flüchtlinge ausgegeben, was den Anstieg der Migration nach Europa wiederspiegelt.
Und so, wie der Hilfsfluss sich verzweigt und versandet, so überschwemmt er einige Orte und ignoriert andere. In Indien leben an die 275 Millionen Menschen von weniger als 2 Dollar pro Tag. 2014 hat das Land 4,8 Milliarden an "Landesprogrammgeldern" bekommen (die routinierteste Form der Hilfe), was 17 Dollar pro armem Kopf entspricht. Vietnam bekam auch 4,8 Millarden Dollar; weil das Land aber viel kleiner ist und verhältnismässig besser dasteht entsprichen die Hilfsgelder 1.658 Dollar pro armer Person. Nach diesem Maß fahren Südostasien und Südamerika besonders gut.
Westliche Länder haben sich überwiegend herausgeschlichen aus der Gewohnheit aus dem Kalten Krieg, als sie die Hilfsgelder an freundliche Regime und ehemalige Kolonien zukommen liessen. Aber die Hilfe wid noch immer mehr oder weniger offen - und laut Owen Barder von der Denkfabrik Zentrum für Globale Entwicklung zunehmend - als außenpolitisches Werkzeug benutzt. Der heutige Feind ist nicht der Kommunismus, sondern der radikale Islam. Afghanistan, Ägypten, Jordanien, Syrien und die Türkei haben 2014 jeweils mehr Entwicklungshilfe als Bangladesch erhalten, obwohl keines der Länder auch nur annähernd so viele Arme beherbergt. Diese Woche hat die EU mehr Hilfe für afrikanische und mittelöstliche Länder versprochen, wenn sie die Migration beenden helfen.
Ein besserer Grund, den ärmsten Ländern kein Geld zu geben wäre die schlechte Regierungsführung. Aber das ist nicht der Grund für das wenige Geld. Claudia Williamson von der Mississippi State Universität hat ein Messystem entwickelt, dass die Armut in Relation zur Regierungsqualität setzt. In diesem Maß hat sich die Zielführung der Hilfe zwischen 2004 und 2012 verschlechtert. "Die Hilfe geht vor allem an Mitteleinkommensländer, die dazu noch schlecht regiert werden," sagt sie.
Spender belohnen demokratische Reformen gerne mit mehr Hilfe; sie versuchen auch korrupte und zurückfallende Länder wie Malawi zu bestrafen. Zwischen 2009 und 2014 haben sich neun Länder auf der 14 Punkte Skala der Denkfabrik Freedom House um 2 Punkte verbessert, was andeutet, dass sie merklich demokratischer und liberal wurden. Acht davon haben 2014 unterm Strich mehr Entwicklungshilfe erhalten als fünf Jahre zuvor. Von den sechs Ländern, die sich um zwei Punkte oder mehr verschlechtert haben haben nur zwei mehr Hilfe bekommen.
Aber solche Anreize sind in der Regel subtil, wobei der Anstieg an Hilfsgeldern an strategisch wichtige Länder oft sehr groß ist. Die Nettohilfe an die Türkei, einem zunehmend autokratischen Land das nicht arm ist, stieg um mehr als das Zehnfache zwischen 2004 und 2014 auf 3,4 Milliarden Dollar. Daneben haben die Spender oft nur kurze Aufmerksamkeitsspannen.
Die beiden Akademiker Darren Hawkins und Jay Goodliffe haben gezeigt, dass Spender dazu neigen Länder zu belohnen, die mehr wie sie selbst werden. Haben die Länder dann den Club der Demokratien betreten, dann fällt die Hilfe. Die amerikanische an Peru folgte genau diesem Muster: "Man wird für das Erreichen eines zu hohen Grades an demokratischer Regierungsführung bestraft," sagt Brad Parks von AidData, einer anderer Denkfabrik.
Selbst wenn westliche Länder klare und konsistente Signale aussende, kann Probleme beim gehört werden geben. Hilfe wurde für viele arme Länder weniger wichtig, als ausländische Investitionen und Geldüberweisungen von Exilbürgern. Und die Spender wurden viel verschiedener. Mehrere Länder, die früher Hilfe erhielten verteilen nun selbst welche; ein paar, darunter Indien und die Türkei machen beides. China verteilte letztes Jahr laut OECD rund 3,4 Milliarden Dollar. Obwohl das im Vergleich zu Amerika oder Großbritannien vernachlässigbar ist, wurde China bedeutend, da sie als eine Art Schockabsorber agieren, wenn sie in ein Land reingehen, wo sich andere zurückziehen. Letzten Monat haben sie Malawi more Nahrungsmittelhilfe versprochen und dazu 100 Streifenwagen.
Bei korrupten Diktatoren wirkt die chinesische Hilfe sogar besser als ihre westlichen Pendant. China kümmert sich nicht um Demokratie und hat meist nichts gegen Kreditvergabe für sinnlose Großprojekte: Immerhin, sie machen das zu Hause ja auch. Das Geld kann leichter abgezweigt werden. In einer Studie kam heraus, dass die chinesische Hilfe sehr wahrscheinlich an die Bezirke fliesst, in denen die afrikanischen Führer geboren wurden.
In einer bedeutenden Hinsicht aber schadet die Zunahme der Spender den armen Ländern. Hilfe kommt heute aus viel mehr Richtungen und in viel kleineren Paketen: Laut AidData kostete das durchschnittliche Projekt 2013 etwa 1,9 Millionen Dollar, wobei es 2000 noch 5,3 Millionen waren. Mosambique hat allein im Gesundheitsbereich 27 bedeutende Spender, und da sind die nichtwestlichen Privatspender noch nicht dabei. Belgien, Frankreich, Italien, Japan und Schweden haben jeweils weniger als 1 Million Dollar gespendet. Diese Fragmentierung strapaziert die armen Länder sowohl wegen der endlosen Berichtschreiberei, als auch weil deren Beamte direkt aus ihren Büros heraus für das Management der Hilfsprojekte angeheuert werden.
Spender würden vermutlich mehr gutes bewirken, wenn sie sich in wenigen Ländern auf wenige Projekte konzentrieren würden. Aber sie bemühen sich, das Gegenteil zu erreichen. Für sie und die Politiker mit den Händen am Geldbeutel ist das Pflastern der Welt mit Flaggen gleichbedeutend mit Erfolg. Der Vorsitzende des Entwicklungskommittees der OECD Erik Solheim erinnert sich daran, wie er sein eigenes Land Norwegen versuchte zu überzeugen, dass es sich auf das konzentrieren sollte, was es wirklich kann (einen Ölboom managen) und sich nicht in Sachen wie tropische Landwirtschaft stürzen. Er hatte keinen Erfolg.
Vor einem Jahrzehnt war die anerkannte Lösung gegen die Fragmentierung das Auszahlen der Hilfe direkt an die armen Länder, die frei darüber verfügen können. Dies kam ziemlich außer Mode. Ein Spender, der eine Regierung finanziert fühlt sich für jede Fehlentscheidung dieser Regierung verantwortlich, ob sie nun schwulenfeindliche Gesetze verabschieden, oder die Bargeldkasse plündern. Verlorenes Vertrauen baut sich nur schwer wieder auf. Spender scheinen einer Fortführung der direkten Budgetfinanzierung Malawis abgeneigt zu sein: Einer beschreibt es als "Sache der Vergangenheit". Das britische Entwicklungshilfeministerium, welches überall für die Budgetfinanzierung Werbung machte sagte letztes Jahr, dass sie es nicht mehr machen würden. Darüberhinaus kennzeichnen Spender auch zunehmend die Zahlungen für multilaterale Institutionen.
Das Ganze gleicht in fast jeder Hinsicht einem Chaos. Daher ist es eine gute Nachricht, dass ein Großteil des erreichten Fortschritts auf den Idealen basiert, die vor einem Jahrzehnt in Paris definiert wurden. Die Spender wurden viel offener darüber, wieviel Geld wohin geht. Es liegt an den Transparenzfortschritten, dass wir inzwischen wissen, wie schlecht die Lage ist. Allerdings sind das Wissen und der Wille für Veränderungen nicht das selbe.
Im Original: Foreign aid is a shambles in almost every way
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