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Mittwoch, 20. April 2016

Telegraph: Die Saudis zielen auf den Abschuss, aber der Ölmarkt dreht sich sowieso



Von Ambrose Evans-Pritchard, 18. April 2016

Der Abbruch der OPEC Gespräche mit Russland über das Wochenende spielt überhaupt keine Rolle beim Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im globalen Ölmarkt. Das vereinbarte Einfrieren der Produktion war nur politische Augenwischerei.

Kaum ein Land des OPEC Kartells ist fähig noch mehr Öl zu produzieren. Mehrere davon gescheiterte Staaten oder schlittern gerade in eine politische Krise.

Russland melkt gerade den letzten Schluck aus der Produktion bevor die sich erschöpfenden prä-Sowjet Anlagen in Westsibirien langsam leer werden. Sanktionen hinderten die Bemühungen, neue Felder zu erschliessen, oder mit dem Fracking im Basenow Becken zu beginnen.


Saudi-Arabiens hartnäckige Entscheidung, die Allianz mit den Verbündeten am Golf - und mit allen anderen OPEC Ländern - bei einem Treffen in Doha zu brechen lässt die letzten Illusionen platzen, dass es noch immer eine regulierende Struktur geben könnte in der globalen Ölindustrie. Es sagt uns, dass das Kartell in keiner sinnmachenden Weise mehr existiert. Außerdem, dass es irrelevant ist.

Die großen Fondsgesellschaften wurden vom Ausgang offenbar unvorbereitet getroffen, da sich die "long" Positionen für steigende Preise auf einem Rekordhoch befanden, als das Treffen begann. Die Sorte Brent sackte im frühen Asienhandel um sieben Prozent auf 41 Dollar pro Barrel ab, aber es war weitaus vielsagender, dass die Preise sich schnell wieder erholten.

Die Marktdynamik ändert sich schnell. Der Ausstoss geht überall runter: In China, Lateinamerika, Kasachstan, Algerien, der Nordsee. Die US-Frackingindustrie ist nun endgültig kaputt, obwohl es weit länger dauerte, als die Saudis erwarteten, als sie den Markt im November 2014 das erste Mal fluteten. Das US-Energieministerium erwartet ein Sinken des Gesamtausstosses auf 8,6 Mio Barrel pro Tag nach 9,4 Mio Barrel letztes Jahr.

China füllt seine neuen Anlagen für die strategischen Ölvorräte in einem Rekordtempo auf. Ihre Ölimporte sprangen auf 8 Millionen Barrel am Tag dieses Jahr nach 6,7 Millionen 2015 und saugen damit einen Großteil des globalen Überangebots auf. Manches fliesst zwar als Diesel wieder aus China heraus: Das meiste wird aber in China verbrannt.

Goldman Sachs sagt, der Doppeleffekt von steigender Nachfrage und Angebotsstörungen quer über den Planeten bringen den Markt wieder in sein Gleichgewicht und werden spätestens im dritten Quartal für ein "nachhaltiges Defizit" sorgen. Der Wendepunkt könnte schneller kommen als alle erwarten, wenn in Kuwait diese Woche die Arbeiter bei einem Streik gegen das Sinken ihrer Löhne kämpfen. Der Produktionsausfall liegt bereits bei 1,6 Mio Barrel am Tag.

Kuwaits Leiden sind nur ein erster Vorgeschmack, wie schwer es sein wird für die Ölscheichs, ihre Austeritätsmaßnahmen durchzusetzen, oder die allumfassenden Sozialverträge zu beschneiden, mit denen überall am Golf der Deckel auf dem Druckkessel gehalten wird.

Es gibt wenig Zweifel, dass Mohammad bin Salman, der stellvertretende Kronprinz und de facto Herrscher Saudi-Arabiens eine Ausrede wollte für die Sabotage der Doha Verhandlungen. Er fügte daher eine neue Forderung hinzu, dass Norwegen als Nicht-Mitglied der OPEC ebenso seinen Ausstoss reduzieren solle - ein totaler Blindgänger -  wie auch die sich verhärtende Ablehnung der Saudis gegen Irans volle Rückehr zu seinem Ausstoss vor den Sanktionen.

Das Kalkül ist, das sein Land die tiefsten Taschen hat und sich am Ende gegen die schwächeren Spieler durchsetzen wird. Es ist ein Spiel. Saudi-Arabien verbrennt gerade monatlich 10 Milliarden Dollar seiner Devisen, um das Haushaltsdefizit auszugleichen. Mit dem fixierten Rial ist es viel schwerer mit den Budgetproblemen umzugehen, als es bei Russland der Fall ist, welches den Rubel bei Bedarf abwerten kann.

Saudi-Arabien ist so reich, wie immer angenommen. Das Pro-Kopf-Einkommen entspricht dem von Griechenland. Standard & Poor’s hat die Kreditwürdigkeit mit gutem Grund auf A- abgestuft. Die Saudis haben in guten Tagen nie wirklich systematisch Auslandsvermögen augebaut. Ihre Reserven liegen bei einem Drittel dessen, was Kuwait oder Abu Dhabi angespart haben.

Der Saudi Prinz verfolgt mehrere Ziele. Ein Spitzenbeamter gab vor einem Monat einen Hinweis auf die Rangfolge und listete auf den Iran, Russland, die Arktis, Kanadas Ölsande, Venezuelas Orinoco Teer, die Tiefseequellen, US-Fracking und Erneuerbare, in der Reihenfolge.

Das Primärziel ist ganz klar der Iran, der Führungsmacht des Schiitentums und Erzrivale für die strategische Dominanz im Mittleren Osten. Die beiden Länder stehen sich mit dem Messer gegenüber in Syrien, dem Jemen und im Irak.

Viele halten das zweite unerklärte Ziel für Russland, dem momentan größten Produzenten mit 10,8 Mio Barrel am Tag, dem aber das Geld aus und die Infrastruktur verloren geht. Der Kreml wird seine Budgetreserven bis zum Ende des Jahres aufgebraucht haben, was Wladimir Putin dazu veranlassen wird drakonische Budgetkürzungen durchzuführen. Die Saudis könnten denken, dass es sich lohnen könnte auf den vollen Abschuss zu gehen, indem sie die Preise für einige weitere Monate tief halten.

Das Problem der Saudis liegt darin, dass ihre Strategie womöglich die OPEC liquidiert hat - das Instrument, welches ihre globale Macht bislang gehebelt hat - und sie könnte auch ihre eigene strategische Nachbarschaft in Brand setzen, falls das nicht bereits geschehen ist.

Helima Croft von RBC Capital Markets hat das Stressniveau der Bank hinsichtlich "geopolitischer Risiken" der sechs OPEC Länder erhöht und gewarnt, mehrere stünden am Abgrund. "Viele hatten mitHerausforderungen im politischen und Sicherheitsbereich zu kämpfen als der Ölpreis bei über 100 Dollar lag und nun sind sie dazu gezwungen Notfallfinanzierungen vorzunehmen," sagte sie.

Venezuela ist bereits kollabiert. Dort gibt es nur nocheine vier Tage Arbeitswohche. Die Inflationliegt bei 700 Prozent. Nicolas Maduros Regime geht das Geld aus, um die Ölarbeiter zu zahlen. Sie riskieren ein Wiederholen der Streiks von 2002/03, wodurch die Ölproduktion um 80 Prozent eingebrochenist. Ohne chinesische Gelder steht ihnen dieses Jahr eine "humanitäre Katastrophe" bevor, sagte sie.

Angola hat seine Ausgaben um 15 Prozent am BIP eingeschnitten und doch waren sie dazu gezwungen, sich vom Internationalen Währungsfonds auffangen zu lassen, obwohl sie sich schwörten, das nie zu tun.

Nigeria hat durch Angriffe von Militanten 390.000 Barrel am Tag verloren, seitdem dem Buhari Regime das Geld ausging, um ihnen Schutzgeld zu zahlen. Unter den Angriffen war ein komplexer Unterwasserangriff auf eine Shell Pipeline am Forcados Terminal.

Vom Irak wird angenommen, dass er sich zur großen Hoffnung für das Ölangebot des kommenden Jahrzehnts wird, allerdings sind sie dort nicht in besserem Zustand. Der Umsatzeinbruch hat einen teuflischen Kreislauf in Gang gesetzt, der von verschobenen Zahlungen bis hin zu einem Investitionsstopp reicht. Auch der Irak befindet sich in den Händen des IWF.

IS Terroristen haben letzte Woche die Ölförderanlagen im Khabbaz Feld nahe Kirkuk in Brand gesetzt. Selbstmordattentäter trafen Anfang des Monats Basra und Terroraktivitäten verlaufen ominöserweise eng um das irakische Kronjuwel, den Rumaila Ölinstallationen. Sicherheitsbehörden sagen, der IS zielt auf das Herz der Ölprodution, doch die Regierung ist so knapp bei Kasse, dass sie nicht die überlebenswichtigen Schiitenmilizen zahlen können.

In Lybien hat der IS sich in im Herzen der Ölregion rund um Sirte erfolgreich breit gemacht. Sie haben geschworen eine Rebellion in Algerien anzuzetteln, einem andern Land, das in den Strudel finanzieller Nöte geriet. Der komplette Maghreb ist heute ein Pulverfass.

Jedes einzelne dieser Länder könnte außer Kontrolle geraten. Es ist nicht allzu weit hergeholt sich vorzustellen, dass es bei zwei oder drei gleichzeitig passiert. Das würde die Dynamik der Ölmärkte schlagartig verändern und würde das Wachstum der Weltwirtschaft seit dem Lehman Bankrott zu einem aprubten Halt bringen und die falschen Versprechungen offenlegen, auf denen es gebaut war.

Es war nie billiges Öl, das unsere Volkswirtschaften bedroht hat. Die Angst zu Beginn des Jahres war fehlgeleitet. Es ist der nächste Einbruch des Ölangebots, das uns die meiste Angst machen sollte.


Im Original: Saudis are going for the kill but the oil market is turning anyway

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