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Freitag, 24. Juni 2016

The Spectator: Das ist Demokratie in all seiner Schönheit und Glorie




Von Brendan O'Neill, 24. Juni 2016

Man muss sich mal vorstellen, was gerade passiert ist. Entgegen der Warnungen von Experten, den Plädoyers der Abgeordneten, den Wünschen fast aller Kapitalisten und den Overtüren aus Brüssel hat die Mehrheit der Briten Nein gesagt zur EU. Sie haben etwas gemacht, von dem fast jeder mit Macht und Einfluss sagte, dass es besser nicht passiert: Ein Schritt ins Ungewisse; ein großes und spannendes Risiko eingehen für die eigene Nation. Sie haben - man muss es so sagen - rebelliert, rebelliert gegen fast jede Fraktion unter den Eliten.

Man muss nichteinmal auf der "Raus" Seite gestanden haben, um dies zu bewundern (obwohl es natürlich hilft). Man muss nur ein Anhänger der Demokratie sein. Man muss nur daran glauben, dass es eine gute Idee ist, die großen politischen Fragen an das Volk zu deligieren. Dies ist gelebte Demokratie in all seiner chaotischen, wunderschönen, die Ordnung herausfordernden Glorie. Alle Achtung vor der Standhaftigkeit der normalen Menschen, ihrem Willen nach der eigenen Überzeugung zu handeln und das selbst im Angesicht der Gefahren und Stolpersteinen durch die Mächtigen. Wir hören heute wie leichtgläubig die Öffentlichkeit ist, wie formbar ihre Hirne sind, Knetmasse in den Händen der Demagogen. Und doch haben die Menschen gestern für sich selbst gedacht; sie haben die Argumente abgewogen und sich dazu entschlossen, die Gesamtheit der Weisheit aus Westminster / Washington / Brüssel abzulehnen. Eine solche Freiheit der Gedanken ist mit Sicherheit mitreissend.

Natürlich haben einige bereits vermutet, dass die Wähler überstürzt und unbedacht handelten und von Boris oder Murdoch reingelegt wurden. Keith Vaz sagt, wir "haben eher emotional gewählt, als an den Fakten orientiert". Wie Anthropologen, die einen seltsamen Stamm analysieren verstopfen politische Analysten gerade die TV Sender und plagen Twitter mit ihren Theorien, weswegen die Wähler so entschieden haben: Sie haben Angst, sind verunsichert, sie sind verängstigt wegen der Einwanderung. Wenige nur scheinen zu akzeptieren, dass die Menschen schlichtweg ein rationales Urteil über die EU gesprochen haben. Normale Menschen, die vielleicht keinen Doktor haben, oder den Guardian lesen, oder wissen, wie die EU funktioniert (naja, wer weis das schon?), sie haben entschieden, dass sie nicht an Brüssel gebunden sein wollen. Wir sollten das nicht durch die Mangel drehen, oder dämonisieren, oder delegitimieren, indem es zur kodierten Botschaft aus Hass und Verwirrung erklärt wird, da es letztlich die Demokratie erniedrigt. Dem Volk wurde eine einfache Frage gestellt und sie haben eine bewegende Antwort gegeben.

Das Ergebnis sollte eine klare Warnung sein für jeden Politiker und Bürokraten: Wagt es blos nicht, die Volkesmeinung für gegeben vorauszusetzen; nehmt nicht an, dass sie das selbe denken wie ihr; unterschätzt nicht ihre Fähigkeiten über Dinge nachzudenken und zu diskutieren und am Ende so zu entscheiden, dass politische Ideen und Systeme, die sie nicht mögen wieder verschwinden. Es gibt noch genug Zeit für eine genaue Untersuchung wie genau gewählt wurde, für Tränen bei der "Bleiben" Seite, und für die Feierlichkeiten bei den Brexitunterstützern; fürs erste aber sollten wir uns darüber freuen, dass die Demokratie funktioniert, dass Demokratie mächtig ist, und dass die Menschen für sich selbst denken können. Es ist selten, dass mich die Politik zum Schlucken bringt, aber heute war es so weit, denn Generationen von Menschen kämpften und starben für das Recht, das wir gerade ausübten - das Recht, über das Schicksal unserer Nation selbst zu entscheiden und damit die Welt zu verändern.


Im Original: This is democracy in all its beauty and glory

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