Von Clifford G. Gaddy, 7. April 2016
Bin ich der einzige, dem die Panama Papiere etwas seltsam vorkommen? Es fühlt sich an, wie in einem billigen Agentenkrimi.
Zu Beginn von 2015 hat ein "John Doe" (einfach so) eine E-Mail an die deutsche Süddeutsche Zeitung (SZ) geschrieben und darin 11,5 Millionen Dokumente von einer panamesischen Kanzlei angeboten, die auf Offshore-Briefkastenfirmen spezialisiert ist. Die SZ akzeptiert. Unter dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) haben dann etwa 400 Journalisten aus 80 Ländern ein Jahr lang die Dokumente gesichtet. Dann, in einer koordinierten Aktion, haben sie ihre ersten Schlüsselergebnisse präsentiert: Mit beinahe identischer Sprache in allen Medien (bis runter zum lokalen TV Sender in Washington, wo ich es diese Woche sah), sprachen sie über große Enthpllungen zu Korruption, Geldwäscherei und Verschleierungen von Finanzströmen von über 140 Weltführern.
Egal wo, die meisten Berichte hatten den russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Überschrift. Aber das könnte eine noch dunklere, viel größere und verzwickte Geschichte verdecken.
Trotz aller Überschriften gibt es keinerlei Beweise für Putins direkte Verwicklung - in nicht einem der enthüllten Unternehmen taucht er auf und noch viel weniger in den kriminellen Aktivitäten, Diebstahl, Steuervermeidung, oder Geldwäsche. Es gibt Dokumente, in denen einige seiner "Freunde" bis zu "zwei Milliarden Dollar" durch in Panama ansässige Briefkastenfirmen schleusten.
Es gibt keine Beweise für Putins direkte Verwicklung.
Es gibt auch nichts in den Panama Papieren, das etwas neues über Putin verraten würde. Es ist vielmehr viel weniger eine Geschichte, als das was schon lange im Umlauf ist. Seit mehr als 10 Jahren gibt es Verdachtsmomente, wonach Putin ein rießiges Privatvermögen angesammelt hat, manche sagen es seien 20 Milliarden Dollar, dann gibt es die Zahlen 40 Milliarden, 70 Milliarden oder gar 100 Milliarden.. Und alles, was sie nun "eventuell" fanden sind ein paar lausige Milliarden, die einem Freund gehören?
Dies ist eine Geschichte, die nicht stinkt.
Es gibt hierbei einige (geo)politische Aspekte, die es zu beachten gilt. In den letzten Jahren wurden die Medien zum Hauptkampffeld für Russland und den Westen, um sich gegenseitig zu diskreditieren. Letztes Jahr etwa haben westliche Kreise versucht, die Medien zu missbrauchen, um das zu bekämpfen, was sie beschrieben mit Russlands "bybrider Kriegsführung," insbesondere dabei der Informationskrieg, der im Zusammenhang mit Russlands Annexion der Krim aufflammte. Sie identifizierten die Korruption als eine Schwachstelle bei Putin. Es ist daher nützlich, die Panama Papiere in diesem Kontext zu betrachten: Journalisten zielen angesichts der Beweise, diese vorlegen weit jenseits des Angemessenen auf Putin.
Sobald jemand mehr als die Überschrift liest, wird es zu einer Nicht-Geschichte. Ein "Freund Putins" wird mit Unternehmen in Verbindung gebracht, die ein paar Milliarden durch Offshore Konten geschleust haben. Wozu? Um russische Steuern zu umgehen? Wirklich? Um den Eigentümer zu verschleiern? Vor wem? an braucht keine Briefkastenfirma, um so etwas zu bewerkstelligen. Um Sanktionen zu umgehen? Das wäre ein vernünftiger Grund, würde nur dann Sinn ergeben, wenn die Unternehmen nach Mitte 2014 registriert wordnen wären. Frage: Wurden sie das?
Diese Information würde Putin aber alles andere als schaden - anstatt dessen bietet es Putin die Gelegenheit um zu sagen: "Schaut, alle machen es." Eine weitere ernsthafte Möglichkeit betseht darin, dass die enthüllten Informationen zu einer Kaskade von Skandalen im Westen führen wird, wo Korruption eine Rolle spielt - was ich doch erläutern werde. Unterm Strich aber gewinnen die Russen.
Das cui bono verbindet Gewinne mit Motiven und fragt wer profitiert von bestimmten Aktionen. Sollten die Russen gewinnen, wäre es dann nicht auch möglich, dass sie hinter dem letzten Teil dieser Geschichte stehen?
Der ICIJ beschreibt sich selbst als Elite der investigativen Journalisten - nur, was haben sie herausgefunden über die Quelle dieser Dokumente? Die einzig bekannte Information über John Doe kommt von der SZ, die ihre Geschichte beginnt mit: "Vor mehr als einem Jahr kontaktierte eine anonyme Quelle die SZ und übermittelte verschlüsselte interne Dokumente einer Anwaltskanzlei namens Mossack Fonseca." Als die Mitarbeiter der SZ John Doe über seine Motive befragten antwortete er in einer E-Mail offenbar: "Ich will diese Verbrechen publik machen."
Wie aber können die Journalisten - und die Öffentlichkeit - sicher sein, dass er vertrauenswürdig ist und dass seine Dokumente echt sind, vollständig und nicht manipuliert? Es ist unklar, ob John Doe zum einen eine Einzelperson ist, und zum anderen, wie er so zuversichtlich sein konnte, dass er die Dokumente enthüllen konnte, ohne gleichzeitig sich selbst zu enthüllen. Er hatte darüber hinaus Zugang zu eine ziemlich beeindruckenden Datenträger, was ein Hinweis darauf ist, dass ein Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt haben könnte.
Darüber hinaus bringt die Enthüllung viele Kollateralschäden für legale Geschäfte von unschuldigen Menschen - war das kein Grund zur Besorgnis? Für mich würde keine verantwortungsbewusste Person mit echten Bedenken hinsichtlich der Gesetzestreue einen solchen Schwung an rohen Dokumenten der Öffentlichkeit preisgeben. Es sind einfach zu viele unbeabsichtigte Konsequenzen möglich; es könnte Regierungen mit unvorhersehbaren Konsequenzen stürzen. Es ist purer und naiver Anarchismus, wenn die Einstellung darin bestand (und von außen sieht es danach aus), das maximale Chaos anzurichten und zu hoffen, dass es das System in Brand setzen und von seinen Übeln befreien wird. Jedenfalls ist das Potential, das mit einer solchen Datenenthüllung einhergeht immens.
Sollten "wir (Die USA und der Westen) diese Dokumente veröffentlicht haben, dann bestand das Motiv offenbar im Blosstellen Putins. Dies wäre dann ein Teil der Vorstellung, wir könnten Putin im Informationskrieg besiegen. Sollte dies das Motiv gewesen sein, dann ist das Ergebnis erbärmlich: Putin wurde kein wirklicher Schaden zugefügt, aber es gibt eine Menge Kollateralschaden bei den US-Verbündeten.
Sollten die Russen verantwortlich sein, dann könnte ein Motiv gewesen sein, die Kampagne des Westens gegen Putins Korruption abzuwehren. Wie ich aber erklärt habe ist der Schaden, den die Panama Papiere Putin oder Russland zugefügt haben ziemlich marginal. Für einen sehr günstigen Preis, hätten die Russen 1) korrupte Politiker von anderswo blosgestellt, inklusive solcher in westlichen "Modelldemokratien" und 2) echte Destabilisierungsarbeit in einigen westlichen Ländern geleistet. Was mich daher wundert ist: Ist es eine Falle? Die Russen warfen einen Köder und die USA schluckten ihn runter. Die Geschichten über die Panama Papiere perlten von Putin ab wie Wasser von einer Ente. Aber sie könnten eine destabilisierende Wirkung im Westen entfalten.
Also sagen wir das "wer" seien die Russen und das "warum" liegt in der Ablenkung der Aufmkerksamkeit, um zu zeigen "schaut, jeder macht es." Aber wie? Angesichts Russlands vielgerühmter Hackerkapazitäten, etwa die sezielle Cybereinheit im Kreml hätte die Dokumente bekommen können. (Monssack Fonseca besteht nach wie vor darauf, dass die Enthüllungen nicht von innen kamen.).
Aber es ist äußerst wahrscheinlich, dass eine solche Operation von einer Behörde durchgeführt würde, die sich Russian Financial Monitoring Service (RFM) nennt. RFM ist Putins persönliche Finanzgeheimdiensteinheit - er erschuf sie und sie antwortet nur ihm. Sie ist völlig legitim und wird weitgehend als die mächtigste Behörde dieser Art weltweit betrachtet, mit einem Monopol auf Informationen hinsichtlich Geldwäsche, Offshore Zentren und verwandten Themen, die Russland beinhalten, oder russische Staatsbürger. Eine Operation wie die Panama Papers, in der es ausschliesslich um Finanzinformationen geht wäre definitiv vom RFM umgesetzt worden. Nicht vom FSB und nicht von irgendeiner ad hoc Arbeitsgruppe im Kreml.
Während sie keinen (legalen) Zugriff hat auf die Geheimnisse von Firmen wie Mossack Fonseca, so hat sie einen geheimen Zugang zu den internationalen Finanzinformationen über eine internationale Gesellschaft namens Financial Action Task Force, in der sie ein führendes Mitglied ist. Kurz gesagt, die Russen sind bei weitem besser aufgestellt als alle anderen - fähigr und weniger gebunden - um in fremde Systeme einzubrechen.
Wenn es um das wie der Veröffentlichung der Dokumente geht, so wäre es tatsächlich ziemlich genial gewesen, Russland damit "anzuprangern" mit einer scheinbar ernsthaften (und titelträchtigen) Weise, ohne tatsächlich irgendwas preiszugeben. Das ist genau das, was wir haben. Die Panama Papiere enthüllten keine russischen Geheimnisse. Sie trugen nichts dazu bei, die ohnehin schon kursierenden Gerüchte rund um Putins private Reichtümer zu konkretisieren. Und die Geschichte-die-eigentlich-keine-ist wurde durch niemand anderes, als die ICIJ gebracht. Daher ist das letzte, was jemand erwarten würde, eine russische Operation hinter dem ganzen.
Zugegeben, es wäre eine anspruchsvolle Operation, nur um der westlichen Kampagne rund um "Putin den Kleptokraten" die Spitze zu nehen. Aber vielleicht gibt es noch ein weiteres Motiv.
Wie viele bereits hingewiesen haben werden in den Panama Papers keine US Bürger erwähnt. Aber es ist möglich, dass sie das werden, und dass der ICIJ beschloss, dies nicht zu veröffentlichen. Vielleicht, der ICIJ wird von Amerikanern finanziert, wollen sie einfach nicht die Hand beissen, die sie füttert. Aber angenomen, der ICIJ hat keine Informationen über Amerikaner - dann würde der originale Datensatz in Zweifel gezogen, da ein echter und unzensierter Datensatz sehr wahrscheinlich irgendwo den Namen eines Amerikaners erwähnen würde. Es gibt zweifellos viele amerikanische Personen und Unternehmen, die mit Mossack Fonseco geschäftlich verbunden waren und es würde keinen Sinn machen, wenn auf 11,5 Millionen Dokumenten über Offshore Briefkastenfirmen nichts amerikanisches vorkäme. Velleicht hat jemand diese Informationen entfernt, bevor der Datensatz an die deutsche Zeitung übergeben wurde.
Dieser "jemand" wäre nach meiner Hypothese ein Russe - und diese Abwesenheit verdächtiger Informationen über Amerikaner ist das für mich ein wichtiger Hinweis darauf, was der wahre Grund für die Enthüllung ist.
Die Panama Papiere beinhalten geheime Informationen zu Finanzdienstleistungen, von denen einige - bei weitem nicht alle - kriminelles Verhalten aufzeigen. In den Händen der Staatsanwaltschaft sind diese Informationen geeignet, um Unternehmen und Personen strafrechtlich zu verfolgen; in den Händen einer dritten Partei ist es eine Waffe für Erpressung. Ihr Wert wäre damit nur mit ihrer Veröffentlichung zerstört.
Daher vermute ich stark, dass der Zweck der Panama Papers in folgendem lag: Es ist eine Mitteilung in die Richtung amerikanischer und anderer westlicher Politiker, die darin eventuell erwähnt werden, oder nicht. Die Mittelung lautet: "Auch wir haben Informationen über eure finanziellen Verfehlungen. Ihr wisst, dass wir sie haben. Wir können sie für uns behalten, wenn ihr mit uns kooperiert." In anderen Worten, die in den Dokumenten genannten Personen sind nicht das Ziel. Es ist vielmehr jene, die nicht genannt werden.
Unterm Strich gehen meine Gedanken in die Richtung, dass es eine russische Geheimdienstoperation war, in der eine wertvolle Enthüllung fabriziert wurde mit der vollen Glaubwürdigkeit, indem Russland "beschuldigt" wird (aber nicht wirklich), und in der die wahre Quelle verborgen bleibt. Einige Dokumente können in einigen Ländern im Kampf gegen Korruption verwendet werden - und effektiv einige kleinere Umstürze verursacehn, ein paar Karrieren zerstören und etwas Vermögen vernichten. Gleichzeitig werden die wahren Ziele in den USA und anderswo erpresst (also alle, die nicht genannt werden), und die russischen Puppenspieler bekommen das was sie "kontrol" und Einfluss nennen.
Falls sie Russen hinter den Panama Papieren stecken, dann wissen wir zwei Dinge und beides ist unmittelbar mit Putin verknüpft: Erstens, es ist eine Operation des RFM, was heisst, Putin war direkt involviert; zweitens, es geht definitiv um Erpressung. Das bedeutet, die wahre Geschichte liegt in dem Teil der Dokumente, die nicht weitergegeben und veröffentlicht wurde. Man gibt Geheimnisse nur heraus, um zu zerstören; die Bewahrung erfolgt mit dem Ziel der Kontrolle. Und Putin ist kein Zerstörer. Er ist ein Kontrollierer.
Im Original: Are the Russians actually behind the Panama Papers?
Bin ich der einzige, dem die Panama Papiere etwas seltsam vorkommen? Es fühlt sich an, wie in einem billigen Agentenkrimi.
Zu Beginn von 2015 hat ein "John Doe" (einfach so) eine E-Mail an die deutsche Süddeutsche Zeitung (SZ) geschrieben und darin 11,5 Millionen Dokumente von einer panamesischen Kanzlei angeboten, die auf Offshore-Briefkastenfirmen spezialisiert ist. Die SZ akzeptiert. Unter dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) haben dann etwa 400 Journalisten aus 80 Ländern ein Jahr lang die Dokumente gesichtet. Dann, in einer koordinierten Aktion, haben sie ihre ersten Schlüsselergebnisse präsentiert: Mit beinahe identischer Sprache in allen Medien (bis runter zum lokalen TV Sender in Washington, wo ich es diese Woche sah), sprachen sie über große Enthpllungen zu Korruption, Geldwäscherei und Verschleierungen von Finanzströmen von über 140 Weltführern.
Egal wo, die meisten Berichte hatten den russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Überschrift. Aber das könnte eine noch dunklere, viel größere und verzwickte Geschichte verdecken.
Trotz aller Überschriften gibt es keinerlei Beweise für Putins direkte Verwicklung - in nicht einem der enthüllten Unternehmen taucht er auf und noch viel weniger in den kriminellen Aktivitäten, Diebstahl, Steuervermeidung, oder Geldwäsche. Es gibt Dokumente, in denen einige seiner "Freunde" bis zu "zwei Milliarden Dollar" durch in Panama ansässige Briefkastenfirmen schleusten.
Es gibt keine Beweise für Putins direkte Verwicklung.
Es gibt auch nichts in den Panama Papieren, das etwas neues über Putin verraten würde. Es ist vielmehr viel weniger eine Geschichte, als das was schon lange im Umlauf ist. Seit mehr als 10 Jahren gibt es Verdachtsmomente, wonach Putin ein rießiges Privatvermögen angesammelt hat, manche sagen es seien 20 Milliarden Dollar, dann gibt es die Zahlen 40 Milliarden, 70 Milliarden oder gar 100 Milliarden.. Und alles, was sie nun "eventuell" fanden sind ein paar lausige Milliarden, die einem Freund gehören?
Dies ist eine Geschichte, die nicht stinkt.
Es gibt hierbei einige (geo)politische Aspekte, die es zu beachten gilt. In den letzten Jahren wurden die Medien zum Hauptkampffeld für Russland und den Westen, um sich gegenseitig zu diskreditieren. Letztes Jahr etwa haben westliche Kreise versucht, die Medien zu missbrauchen, um das zu bekämpfen, was sie beschrieben mit Russlands "bybrider Kriegsführung," insbesondere dabei der Informationskrieg, der im Zusammenhang mit Russlands Annexion der Krim aufflammte. Sie identifizierten die Korruption als eine Schwachstelle bei Putin. Es ist daher nützlich, die Panama Papiere in diesem Kontext zu betrachten: Journalisten zielen angesichts der Beweise, diese vorlegen weit jenseits des Angemessenen auf Putin.
Sobald jemand mehr als die Überschrift liest, wird es zu einer Nicht-Geschichte. Ein "Freund Putins" wird mit Unternehmen in Verbindung gebracht, die ein paar Milliarden durch Offshore Konten geschleust haben. Wozu? Um russische Steuern zu umgehen? Wirklich? Um den Eigentümer zu verschleiern? Vor wem? an braucht keine Briefkastenfirma, um so etwas zu bewerkstelligen. Um Sanktionen zu umgehen? Das wäre ein vernünftiger Grund, würde nur dann Sinn ergeben, wenn die Unternehmen nach Mitte 2014 registriert wordnen wären. Frage: Wurden sie das?
Diese Information würde Putin aber alles andere als schaden - anstatt dessen bietet es Putin die Gelegenheit um zu sagen: "Schaut, alle machen es." Eine weitere ernsthafte Möglichkeit betseht darin, dass die enthüllten Informationen zu einer Kaskade von Skandalen im Westen führen wird, wo Korruption eine Rolle spielt - was ich doch erläutern werde. Unterm Strich aber gewinnen die Russen.
Das cui bono verbindet Gewinne mit Motiven und fragt wer profitiert von bestimmten Aktionen. Sollten die Russen gewinnen, wäre es dann nicht auch möglich, dass sie hinter dem letzten Teil dieser Geschichte stehen?
Der ICIJ beschreibt sich selbst als Elite der investigativen Journalisten - nur, was haben sie herausgefunden über die Quelle dieser Dokumente? Die einzig bekannte Information über John Doe kommt von der SZ, die ihre Geschichte beginnt mit: "Vor mehr als einem Jahr kontaktierte eine anonyme Quelle die SZ und übermittelte verschlüsselte interne Dokumente einer Anwaltskanzlei namens Mossack Fonseca." Als die Mitarbeiter der SZ John Doe über seine Motive befragten antwortete er in einer E-Mail offenbar: "Ich will diese Verbrechen publik machen."
Wie aber können die Journalisten - und die Öffentlichkeit - sicher sein, dass er vertrauenswürdig ist und dass seine Dokumente echt sind, vollständig und nicht manipuliert? Es ist unklar, ob John Doe zum einen eine Einzelperson ist, und zum anderen, wie er so zuversichtlich sein konnte, dass er die Dokumente enthüllen konnte, ohne gleichzeitig sich selbst zu enthüllen. Er hatte darüber hinaus Zugang zu eine ziemlich beeindruckenden Datenträger, was ein Hinweis darauf ist, dass ein Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt haben könnte.
Darüber hinaus bringt die Enthüllung viele Kollateralschäden für legale Geschäfte von unschuldigen Menschen - war das kein Grund zur Besorgnis? Für mich würde keine verantwortungsbewusste Person mit echten Bedenken hinsichtlich der Gesetzestreue einen solchen Schwung an rohen Dokumenten der Öffentlichkeit preisgeben. Es sind einfach zu viele unbeabsichtigte Konsequenzen möglich; es könnte Regierungen mit unvorhersehbaren Konsequenzen stürzen. Es ist purer und naiver Anarchismus, wenn die Einstellung darin bestand (und von außen sieht es danach aus), das maximale Chaos anzurichten und zu hoffen, dass es das System in Brand setzen und von seinen Übeln befreien wird. Jedenfalls ist das Potential, das mit einer solchen Datenenthüllung einhergeht immens.
Sollten "wir (Die USA und der Westen) diese Dokumente veröffentlicht haben, dann bestand das Motiv offenbar im Blosstellen Putins. Dies wäre dann ein Teil der Vorstellung, wir könnten Putin im Informationskrieg besiegen. Sollte dies das Motiv gewesen sein, dann ist das Ergebnis erbärmlich: Putin wurde kein wirklicher Schaden zugefügt, aber es gibt eine Menge Kollateralschaden bei den US-Verbündeten.
Sollten die Russen verantwortlich sein, dann könnte ein Motiv gewesen sein, die Kampagne des Westens gegen Putins Korruption abzuwehren. Wie ich aber erklärt habe ist der Schaden, den die Panama Papiere Putin oder Russland zugefügt haben ziemlich marginal. Für einen sehr günstigen Preis, hätten die Russen 1) korrupte Politiker von anderswo blosgestellt, inklusive solcher in westlichen "Modelldemokratien" und 2) echte Destabilisierungsarbeit in einigen westlichen Ländern geleistet. Was mich daher wundert ist: Ist es eine Falle? Die Russen warfen einen Köder und die USA schluckten ihn runter. Die Geschichten über die Panama Papiere perlten von Putin ab wie Wasser von einer Ente. Aber sie könnten eine destabilisierende Wirkung im Westen entfalten.
Also sagen wir das "wer" seien die Russen und das "warum" liegt in der Ablenkung der Aufmkerksamkeit, um zu zeigen "schaut, jeder macht es." Aber wie? Angesichts Russlands vielgerühmter Hackerkapazitäten, etwa die sezielle Cybereinheit im Kreml hätte die Dokumente bekommen können. (Monssack Fonseca besteht nach wie vor darauf, dass die Enthüllungen nicht von innen kamen.).
Aber es ist äußerst wahrscheinlich, dass eine solche Operation von einer Behörde durchgeführt würde, die sich Russian Financial Monitoring Service (RFM) nennt. RFM ist Putins persönliche Finanzgeheimdiensteinheit - er erschuf sie und sie antwortet nur ihm. Sie ist völlig legitim und wird weitgehend als die mächtigste Behörde dieser Art weltweit betrachtet, mit einem Monopol auf Informationen hinsichtlich Geldwäsche, Offshore Zentren und verwandten Themen, die Russland beinhalten, oder russische Staatsbürger. Eine Operation wie die Panama Papers, in der es ausschliesslich um Finanzinformationen geht wäre definitiv vom RFM umgesetzt worden. Nicht vom FSB und nicht von irgendeiner ad hoc Arbeitsgruppe im Kreml.
Während sie keinen (legalen) Zugriff hat auf die Geheimnisse von Firmen wie Mossack Fonseca, so hat sie einen geheimen Zugang zu den internationalen Finanzinformationen über eine internationale Gesellschaft namens Financial Action Task Force, in der sie ein führendes Mitglied ist. Kurz gesagt, die Russen sind bei weitem besser aufgestellt als alle anderen - fähigr und weniger gebunden - um in fremde Systeme einzubrechen.
Wenn es um das wie der Veröffentlichung der Dokumente geht, so wäre es tatsächlich ziemlich genial gewesen, Russland damit "anzuprangern" mit einer scheinbar ernsthaften (und titelträchtigen) Weise, ohne tatsächlich irgendwas preiszugeben. Das ist genau das, was wir haben. Die Panama Papiere enthüllten keine russischen Geheimnisse. Sie trugen nichts dazu bei, die ohnehin schon kursierenden Gerüchte rund um Putins private Reichtümer zu konkretisieren. Und die Geschichte-die-eigentlich-keine-ist wurde durch niemand anderes, als die ICIJ gebracht. Daher ist das letzte, was jemand erwarten würde, eine russische Operation hinter dem ganzen.
Zugegeben, es wäre eine anspruchsvolle Operation, nur um der westlichen Kampagne rund um "Putin den Kleptokraten" die Spitze zu nehen. Aber vielleicht gibt es noch ein weiteres Motiv.
Wie viele bereits hingewiesen haben werden in den Panama Papers keine US Bürger erwähnt. Aber es ist möglich, dass sie das werden, und dass der ICIJ beschloss, dies nicht zu veröffentlichen. Vielleicht, der ICIJ wird von Amerikanern finanziert, wollen sie einfach nicht die Hand beissen, die sie füttert. Aber angenomen, der ICIJ hat keine Informationen über Amerikaner - dann würde der originale Datensatz in Zweifel gezogen, da ein echter und unzensierter Datensatz sehr wahrscheinlich irgendwo den Namen eines Amerikaners erwähnen würde. Es gibt zweifellos viele amerikanische Personen und Unternehmen, die mit Mossack Fonseco geschäftlich verbunden waren und es würde keinen Sinn machen, wenn auf 11,5 Millionen Dokumenten über Offshore Briefkastenfirmen nichts amerikanisches vorkäme. Velleicht hat jemand diese Informationen entfernt, bevor der Datensatz an die deutsche Zeitung übergeben wurde.
Dieser "jemand" wäre nach meiner Hypothese ein Russe - und diese Abwesenheit verdächtiger Informationen über Amerikaner ist das für mich ein wichtiger Hinweis darauf, was der wahre Grund für die Enthüllung ist.
Die Panama Papiere beinhalten geheime Informationen zu Finanzdienstleistungen, von denen einige - bei weitem nicht alle - kriminelles Verhalten aufzeigen. In den Händen der Staatsanwaltschaft sind diese Informationen geeignet, um Unternehmen und Personen strafrechtlich zu verfolgen; in den Händen einer dritten Partei ist es eine Waffe für Erpressung. Ihr Wert wäre damit nur mit ihrer Veröffentlichung zerstört.
Daher vermute ich stark, dass der Zweck der Panama Papers in folgendem lag: Es ist eine Mitteilung in die Richtung amerikanischer und anderer westlicher Politiker, die darin eventuell erwähnt werden, oder nicht. Die Mittelung lautet: "Auch wir haben Informationen über eure finanziellen Verfehlungen. Ihr wisst, dass wir sie haben. Wir können sie für uns behalten, wenn ihr mit uns kooperiert." In anderen Worten, die in den Dokumenten genannten Personen sind nicht das Ziel. Es ist vielmehr jene, die nicht genannt werden.
Unterm Strich gehen meine Gedanken in die Richtung, dass es eine russische Geheimdienstoperation war, in der eine wertvolle Enthüllung fabriziert wurde mit der vollen Glaubwürdigkeit, indem Russland "beschuldigt" wird (aber nicht wirklich), und in der die wahre Quelle verborgen bleibt. Einige Dokumente können in einigen Ländern im Kampf gegen Korruption verwendet werden - und effektiv einige kleinere Umstürze verursacehn, ein paar Karrieren zerstören und etwas Vermögen vernichten. Gleichzeitig werden die wahren Ziele in den USA und anderswo erpresst (also alle, die nicht genannt werden), und die russischen Puppenspieler bekommen das was sie "kontrol" und Einfluss nennen.
Falls sie Russen hinter den Panama Papieren stecken, dann wissen wir zwei Dinge und beides ist unmittelbar mit Putin verknüpft: Erstens, es ist eine Operation des RFM, was heisst, Putin war direkt involviert; zweitens, es geht definitiv um Erpressung. Das bedeutet, die wahre Geschichte liegt in dem Teil der Dokumente, die nicht weitergegeben und veröffentlicht wurde. Man gibt Geheimnisse nur heraus, um zu zerstören; die Bewahrung erfolgt mit dem Ziel der Kontrolle. Und Putin ist kein Zerstörer. Er ist ein Kontrollierer.
Im Original: Are the Russians actually behind the Panama Papers?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen