Klickware oben
loading...
Mittwoch, 10. Februar 2016
The Economist: An der mazedonischen Grenze wissen die Migranten, dass ihnen die Zeit ausgeht
Syrische Flüchtlinge befürchten das Schliessen der Grenze. Für Nordafrikaner ist sie es bereits. Von Geveglija und Ideomeni, 9. Februar 2016
Auf dem Migrantenpfad an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien sind sie alle verängstigt. Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan haben Angst, dass sich die Europäischen Türen schliessen könnten. Wirtschaftsmigranten aus Marokko und Algerien versichen sich als Flüchtlinge auszugeben, sie haben Angst, dass sie wieder zurückgeschickt werden und dazu gezwungen sein werden, mit tödlichen Risiko die Grenzpolizisten zu überwinden. Die Griechen sind besorgt, dass falls die Mazeodier ihre Grenze schliessen, die Flüchtlinge in Griechenland fest sitzen werden. Die Mazedonier haben Angst, dass die Serben, die einen Schritt weiter auf der Migrantenroute liegen das selbe mit ihnen machen könnten.
Der Ankunftsort für Migranten in Mazedonien ist ein Transitlager, das letztes Jahr in den Weinbergen außerhalb der staubigen Stadt Gevgelija aufgebaut wurde, das vor der Krise bekannt war als der Ort, wo Griechen hingingen, im in den örtlichen Kasinos zu spielen, oder um ihre Zähne günstig machen zu lassen. Die Mazedonier bauten das Lager neben der Bahnlinie, die vom griechischen Hafen in Thessaloniki kommend, den Grenzzaun an einer Stelle passiert, der markiert ist mit den Buchstaben SFRJ - den Initialien der schon lange untergegangenen Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien. Daneben erlaubt ein verdeckter Durchgang den Flüchtlingen, vom Idomeni Transitlager auf der anderen Seite des Zaunes auf griechischer Seite zum Kontrollpunkt zu gehen, der sie nach Mazedonien reinbringt.
Seit November wird nur noch Irakern, Afghanen und Syrern der Durchgang erlaubt. Sie zeigen den Grenzbeamten ihre Reisedokumente, die sie von den griechischen Behörden bekamen, als sie in Griechenland ankamen. Momentan werden täglich 50 bis 100 Migranten zurückgehalten, da die Mazedonier ihre Dokumente für gefälscht halten, oder (aufgrund des Akzents oder anderen Anzeichen) glauben, dass sie nicht aus den angegebenen Ländern kommen. In beiden Lagern wollen alle so schnell wie möglich weiter aus Angst, dass der Pfad nach Deutschland jeden Tag geschlossen werden könnte. Bereits jetzt bauen die Mazedonier eine zweite Zaunreihe mit Stacheldraht auf. "Man kann die Angst geradezu fühlen," sagt Jesper Frovin Jensen, ein UNICEF Notfallkoordinator in Gevgelija.
Doch Blockaden sind häufig. Im Januar begannen die Taxifahrer in Gevgelija die Bahnlinie in und aus dem Lager raus zu blockieren. Viele hatten letzten Sommer Taxilizenzen für 1.500 Euro das Stück gekauft und hofften auf ein gutes Geschäft mit den Flüchtlingen, die sie zur serbischen Grenze fahren wollten. Dann haben die Behörden einen behelfsmäßigen Bahnhof neben das Lager gebaut und die Taxifahrer aus dem Geschäft gedrängt.
Um solche Flaschenhalshürden, wie den Taxiprotest zu vermeiden berichtet die mazedonische Polizei an die griechische, um sie wissen zu lassen, wie viele Migranten ins System aufgenommen und nach Norden geschickt wurden. Im Gegenzug verzögern die Griechen die Busse, die vom Hafen von Priäus hochkommen, bis das Mazedonische Lager wieder leer ist, um den Fluss zu regulieren. Das gesamte System ist bemerkenswert gut organisiert. Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki sagte, seine Beamten stünden in täglichem Kontakt mit ihren Kollegen bis hoch nach Berlin. Jedenfalls, resümiert er, ist die momentane Migration nichts wirklich neues: In ihrem Marsch entlang des Vardar Flusstales folgen die Migranten einer antiken Route "die schon von Römern, Osmanen und Kreuzzüglern genutzt wurde".
Jene, die aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens fliehen bedeutet das Durchkommen alles. Sena Suleiman, 38, ist eine kurdische Krankenschwester aus der Stadt Mossul im Irak, die seit 2014 unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS) steht. Sie erreichte Gevgelija mit ihrem Ehemann und drei Kindern und war den ganzen Weg mit einem Metallgehhilfe unterwegs; ihre Beine wurden verletzt sagt sie, als IS Kämpfer das Haus ihres Onkels nebenan in die Luft sprengten. Ihr Bruder wurde getötet beim Schusswechsel in der Straße und eine andere Verwandte geköpft. "Ich werde nie wieder zurückgehen," sagt sie unter Tränen.
Gerade einmal 200 Meter weiter auf der griechischen Seite in Idomeni sitzt Qamar Ahmad Noor, 34, auf dem Boden mit seiner Frau Neelah, 23. Sie wird in den nächsten 10 Tagen ein Kind zur Welt bringen. Sie flohen aus der Stadt Lahore in Pakistan; Herr Noor sagt, er sei Mitglied der verfolgten Ahmadiyya Religionsgemeinschaft, und dass die Brüder seiner Frau sie zweimal entführt hätten und sie vielleicht auch töten würden, falls sie nicht zu ihrer Art des Islams konvertieren sollten. Pakistan aber ist keines der drei Länder, von deren Bürger angenommen wird, sie bräuchten Asyl (wie etwa Syrien), daher hat Herr Noor keine Ahnung, wie er nach Gevgelija kommen soll.
Das Bild ist trostlos bei all jenen, die es nicht schaffen. Täglich schicken die Mazedonier Menschen weg, die sie nach einem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen haben. Yasin Tasak, ein 22 järhiger marokanischer Wirtschaftsmigrant wurde zusammen mit fünf anderen Marokkanern und einem Algerier zurück nach Griechenland geschleppt, nachem sie 50 Kilometer westlich des Lagers versuchten, die Grenze zu überwinden. Als sie für eine Pause anhielten kamen fünf Männer auf sie zu. "Sie stahlen unsere Handys und alles. Sie hatten Waffen. Dann liessen sie uns laufen," sagt Herr Tasak. Nachdem sie zwei weitere Tage liefen erreichten sie einen Bahnhof, wo sie von der mazedonischen Polizei verhaftet wurde, von der sie, wie er sagt, auf die Beine geschlagen bekamen, um einen weiteren Fussmarsch Versuch zu unterbinden.
Viele jener, die es nicht schaffen sammeln sich im Hotel Hara, am Ende der Strasse vom Transitlager. Hier treffen sie Menschenschmuggler, die ihnen versprechen, sie zur serbischen Grenze zu bringen, oder wo sie sich in Gruppen sammeln, um es nochmal zu versuchen. Sami Ziad, 28, aus Tunesien sagt, er versuchte fünf oder sechs Mal durchzukommen. Auf einen schneebedeckten Berg im Westen zeigen sagt er, er versuchte in einer 20er Gruppe dort durchzukommen. "Zwei oder drei starben. Sie konnten nicht mehr laufen." Am Ende wurden sie von den Mazedoniern geschnappt, die sie mit Warnschüssen einkesselten. Gefragt, ob er vielleicht aufgeben wird meint er, dass es nichts für ihn gibt in Tunesien. "Ich selbst habe keine Angst," fügt er hinzu, "Ich muss gehen."
Im Original: At the Macedonian border, migrants know time is running out
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen