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Freitag, 5. Februar 2016
The Spectator: Francois Hollandes ganz persönlicher Ausnahmezustand
Die Antwort des französischen Präsidenten auf die Terroranschläge im November machen ihn zunehmend isoliert und unpopulär. Von Patrick Marnham, 6. Februar 2016
Die Terrorattacken vom 13. November hinterliessen einen bleibenden Eindruck bei den Menschen, die in Paris und den anderen großen Städten Frankreichs leben. Hotelbuchungen und Restaurantreservierungen liegen am Boden und einige Menschen wollen abends nicht mehr länger ausgehen. Seit November gab es quer durchs Land einige kleinere terroristich motivierte Aktivitäten und Spannungen, die - ausgelöst durch widerholte Regierungswarnungen - häufig bleiben. Die Kampagne für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 wird im Juli beginnen, aber Hollandes Popularität, die nach den Charlie Hebdo Anschlägen nach oben ging reduziert sich wieder.
Hollandes Umfragewerte wuchsen kurz, nachdem er am 14. November den Ausnahmezustand verhängte. Während eines Ausnahmezustandes geht die französische Regierung von furchteinflössenden Mächten aus, wie sie sonst nur im Kriegszustand angenommen werden. In diesem Fall kann voll in das Alltagsleben eingegriffen werden ohne juristische Bestätigung. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit kann ein Minister ohne Rechtfertigung Versammlungen und Demonstrationen verbieten, privates Eigentum durchsuchen, Unternehmen schliessen, eine Ausgangssperre verhängen und sogar Hausarreste verhängen. Die Dauer des momentanen Ausnahmezustandes wurde gerade verlängert und gilt nun bis Ende Mai.
Diese Entscheidung genießt keine umfassende Unterstützung, obwohl sie im Allgemeinen unterstützt wird. Von der politischen Linken wurde stark kritisiert und wird kommende Woche in der Nationalversammlung debattiert. Angeleitet werden die Proteste von Frankreichs Menschenrechtsliga (Ligue des Droits de l’Homme, or LDH), die argumentiert, dass die Verlängerung hinsichtlich der Sicherheitslage ungerechtfertigt ist und dass es eine politisch motivierte Aktion se, um im Voraus Kritik an der Regierung zu ersticken, falls es weitere Anschläge geben sollte. Die LDH Petition wurde von mehr als 400 Universitätsdozenten unterschrieben, von vielen Juraprofessioren, von einer der Polizeigewerkschaften und der Richtergewerkschaft.
Die wachsende Opposition gegen den Ausnahmezustand ist aber nur eines der Probleme, die Hollande und sein Ministerpräsident Manuel Valls bewältigen müssen, angesichts ihres Vorgehens gegen den islamisitschen Terror. Und das seltsame ist, dass der überwiegende Teil der Kritik nicht von der Opposition kommt, sondern von aus den eigenen Reihen.
In einer anderen Anti-Terror Aktion hat Präsident Hollande am Ende des letzten Jahres entschieden, ein Gesetz zu verabschiesen, das ihm ermöglichen würde jedem die französische Staatsangehörigkeit zu entziehen dem terroristische Aktivitäten vorgeworfen werden, vorausgesetzt, es gibt eine zweite Staatsangehörigkeit, um sie vor Staatenlosigkeit zu schützen. "Jeder, der einen Akt des Terrors gegen Frankreich verübt disqualifiziert sich vom pacte républicain," meint dazu Ministerpräsident Valls. Dieses Ausschlusskonzept, auch bekannt als la déchéance wurde ursprünglich von Vertretern der offiziellen Oppositionspartei - den Republikanern unter Nicolas Sarkozy - hervorgebracht - und wurde wärmstens empfohlen von den Rechtsaußen des Front National.
In einer Atmosphäre, in der selbst Regierungsanhänger mehr "Ordnung", "Autorität" und "Repräsentation" fordern - und einige verlangen sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe - hoffte Herr Hollande darauf, seine Gegner auf dem falschen Fuß zu erwischen, indem er sich als entschiedener Verteidiger des französischen Volkes präsentiert. Schlechterdings für den Präsidenten erfordert so ein solches Gesetz einen Verfassungszusatz der fünften Republik - und Verfassungszusätze verlangen eine Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments, der Nationalversammlung wie dem Senat. Da viele Parlamentarier seiner sozialistischen Mehrheit in der Nationalversammlung ein weiteres Mal gegen den Zusatz stimmen werden kann der Präsident das Gesetz nur durchbringen mit Hilfe der Opposition.
Kurz vor Weihnachten hat die letzte einflussreiche Linksaußenpolitikerin in der Regierung, die Justizministerin Christiane Taubira, die eine dezidierte Gegnerin des la déchéance ist künigte an, der Präsident sei für das Fallenlassen des Vorschlags. Viele auf der Linken waren erfreut darüber, allerdings wurde es sofort vom Regierungssprecher dementiert. Letzte Woche dann trat Frau Taubira dann zurück. Es wurde klar, dass sie eine Auseinandersetzung mit dem Ministerpräsidenten verlor, und ihr Einfluss beim Präsidenten ans Ende vorbei war.
Ihr Abgang ließ Herrn Hollande alleine zurck in seiner eigenen Partei, wo die linken Mitglieder die Tage zählen bis zur Wahlniederlage. Frau Tabira hat mittlerweile ein deftig argumentierendes Pamphlet veröffentlicht, worin sie ihre Einwände gegen einen Verfassungszusatz umschreibt mit "ein leeres Symbol", das mit dem Grundprinzip der égalité bricht das die Bürger in zwei Klassen teilt wie auch die Terroristen. Es kann erwartet werden, dass sie nun die sozialistische Opposition führen wird gegen einen entsprechenden Zusatz, der vom Ministerpräsidenten vorgeschlagen wird.
Aber hier endet das Problem nicht fr den zunehmend unpopulären Manuel Valls. Er hat es ebenso geschafft, sich in einer völlig anderen Angelegenheit der großen französischen linken Koalition einen Ausfall zu leisten. Bevor er Ministerpräsident wurde war Herr Valls neben anderen Sachen Bürgermeister von Evry, einem neuen Ort 20km südlich von Paris. In dieser Rolle war er einer der grausamsten Kritiker des muslimischen "Kopftuchs", das er nicht nur aus den Schulen verbannte, sondern auch von allen öffentlichen Plätzen und selbst bei Müttern, die an Schulveranstaltungen teilnehmen. Diese Hardlinerattitüde entstammt seiner persönlichen Überzeugung von la laïcité (Sekularismus), dem Prinzip der strikten Trennung zwischen Kirche und Staat.
Vergangenen Monat tadelte Herr Valls mit Jean–Louis Bianco den obersten Sekularisten des Landes, da er nicht voll hinter der Sache stünde. Herr Bianco, seinerseits Präsident der "sekulären Überwachung", einer Regenschirmorganisation, die über die Interessen der Bewegung wacht, hat angeblih seine Weste beschmutzt, indem er einwilligte mit religiösen Führern in einem öffentlichen Bekenntnis zu gegenseitigem Verständnis und Toleranz aufzurufen. Herr Bianco, ein ehmaliger Minister und unter Präsident Mitterand sehr einflussreicher Generalsekretär im Elysee hat keine allzu hohe Meinung von Herrn Valls und veröffentlichte seinerseits einen rabiate Tadel, in dem er dem Ministerpräsidenten vorwarf, eine kleine Gruppe "sekulärer Fundamentalisten" zu unterstützen, welche die bürgerliche Harmonie bedrohen und seine Anstrengungen unterminieren, die nationale Einheit zu stärken mit dem Brückenbau zu langjärhigen Opponenten.
Der Kampf zwischen den Sekularisten und ihren religiösen Gegenern bricht in Frankreich in regelmäßigen Abständen aus und betrifft in der Regel die Bildung. Die Ausdehnung auf die nationale Sicherheit ist potentiell eine sehr gefährliche Sache. Mittlerweile hat der Disput einige ernsthafte Risse zum Vorschein gebracht in einem der Grundpfeiler des französischen Gesellschaftsvertrages. Die fanatische Intoleranz, wie sie Herr Biancos humanistische Kritiker zeigen erinnert an den revolutionären Slogan von 1792, "Sei mein Bruder, oder ich töte dich!" - und zeigt, dass einiges von dieser pharisäerhaften Einstellung der Enragés und des Kommittees für öffentliche Sicherheit noch immer lebendig ist.
Da die islamische Gemeinde mit stark steigenden rassistischen Zwischenfällen zu kämpfen hat und der Oberrabbiner von Marseilles seinen Anhängern rät im öffentlichen Raum keine Kippas mehr zu tragen, scheint der "sekuläre Fundamentalismus" es geschafft zu haben, dass sich katholische, jüdische und islamische Führer in einer neuen Allianz zusammenschließen gegen einen gemeinsamen Feind.
Patrick Marnham ist ehemaliger Korrekturleser dieses Magazins und ein ehemaliger Pariskorrespondent des Independent.
Im Original: François Hollande’s own personal state of emergency
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