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Donnerstag, 4. Februar 2016
The Economist: Jordanien ist stabil, aber es wird nicht leicht dies weiter zu gewährleisten
Die Überforderung durch die Flüchtlinge und eine kriselnde Wirtschaft drückt auf die Monarchie. 3. Februar 2016
Es wird manchmal bezeichnet als "das Haschemitische Königreich der Langeweile". Das mag nicht allzu freundlich klingen. Aber während Jordanien nie zu einer wirtschaftliche oder politische Großmacht werden wird, gibt es derzeit einiges was man im Mittleren Osten schlechter machen kann als langweilig zu sein.
Jordanien hat immerhin eine Grenze zu Syrien und dem Irak. Von den dortigen Rückzugsgebieten zeigt der Islamische Staat (IS) Ambitionen, die Grenzen seines "Kalifats" weiter auszudehnen. Jordanien selbst hat viele Dschihadisten hervorgebracht. Einige sind in die oberste Führungsebene von Al-Kaida aufgestiegen, oder waren Vorbild dafür; etwa 2.000 Personen haben sich dem IS angeschlossen; weitere warten zu Hause. Jordanien ist Zufluchtsort für 635.000 registrierte syrische Flüchtlinge und darüber hinaus tausenden Irakern und palästinensischen Langzeiteinwohnern, von denen viele gerne nach Europa gingen.
Darüber hinaus sind die Tumulte der anderen arabischen Staaten für das Haschemitenreich keine Fremdheiten. Die Menschen sind 2011 auf die Straße gegangen und forderten den königlichen Hof auf, einige seiner Machtbefugnisse abzugeben, sowie die Korruption zu bekämpfen und protestierten über den Zustand der Wirtschaft. Wenig hat sich seitdem verbessert. Aber Jordaniens König Abdullah hat sich so weit gut gehalten im Abwenden des Desasters mit einer Kombination aus Fähigkeiten gepaart mit Glück.
Außenpolitisch hat er es geschafft, sich Freunde in einer gespaltenen Region zu erhalten. Er hat dem Druck Saudi Arabiens standgehalten, dem dicken Nachbar und regelmäßigen Fincancier, das von Jordanien wollte, dass sie Waffen durch ihr Land nach Syrien lassen. Anstatt dessen versucht er eine Art Pufferzone zu errichten, um den Flüchtlingsstrom aus dem Süden Syriens zu beenden, indem er still und heimlich einige dortige Rebellen bewaffnet, allerdings nicht genug, um sich den Zorn von Bashar A-Assad einzufangen. Er schafft es auch Beziehungen zum saudischen Erzrivalen Iran zu halten.
Zu Hause hat Jordanien von der Angst profitiert, dass quer durch die Region die Länder zerfallen. Die Kritikpunkte sind zwar nach wie vor präsent, aber "jetzt wollen die Leute einfach nur einen sicheren Hafen in Amman, ein Wochenendhäuschen am Toten Meer und Touristen für Petra," meint ein dort lebender Ausländer. Um fair zu sein, Jordanien macht viel mehr als die meisten Länder, um einigen der Bedürfnisse seiner Bürger nachzukommen. Zum einen schießen die Sicherheitskräfte nicht auf Demonstranten. Es gibt mehr Lippenbekenntnisse als wirkliche Reformen, aber ein neues Wahlrecht hat einigen Menschen in den Umfragen Zuversicht gegeben, das ab Ende nächsten Januar in Kraft treten wird meint Jumana Ghneimat von Al Ghad, einer lokalen Zeitung.
Dieser schwierige Frieden wird nicht einfach zu erhalten sein. Der König warnt, dass sich sein Land am "Siedepunkt" befindet. Jordanien weigert sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, wenn ausländische Spender, die sich am 4. Februar in London treffen nicht mehr geben. Die Angst vor (und Verzweiflung unter) den Flüchtlingen wächst. Jordanier wie auch Libanesen und Türken sind zunehmend genervt von der Anwesenheit so vieler Syrer. Ihnen wird die Schuld für einige Probleme zugeschoben von der steigenden Zahl an Kinderehen (wofür es einige Beweise gibt) bis hin zu verstärkter Kriminalität (wofür es keine gibt), sowie Arbeitslosigkeit.
Auch wenn Jordaniens Azraq Lager nur zu einem Drittel voll ist sind weitere 20.000 Syrer an der Nordostgrenze nahe des Irak gestrandet, von wo sie auf eine Passage warten. Jordanien lässt pro Tag nur einige Dutzend ins Land. Die Regierung ist in einer Zwangslage, aber kann sich selbst helfen. Bis vor kurzem hat es syrischen Flüchtlingen nicht erlaubt zu arbeiten, da sie befürchteten, diese würden dann dauerhaft bleiben. Doch wenn sie sie weniger als Belastung sähen, dann könnte Jordanien darauf achten, wie sie zum wirtschaftlichen Wachstum beitragen könnten, meint Andrew Harper, der die UN Flüchtlingsagentur in der Hauptstadt Amman leitet.
Die Verbesserung der Wirtschaftslage würde Jordaniens Bauchschmerzen deutlich lindern. Die regionalen Krisen haben, wenig verwunderlich, Touristen und Investoren abgehalten. Nur halb so viele Menschen besuchen noch Petra als 2010. Die Wirtschaft hängt mehr von Spenden ab die vom Golf kommen als von der eigenen Produktion: Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 30%. Die Schuldenquote hat vergangenes Jahr 91% erreicht, nachdem sie 2010 bei 67% lag. Da die Preise steigen fühlen die Menschen den Stich.
Junge Leute, die den Hauptteil der Bevölkerung ausmachen sind fast völig abwesend von der Politik. Der Ministerpräsident Abdullah Ensour ist 77. "Die Politiker entstammen einem Museum" meint Amer Sabailah, ein örtlicher Analyst. "Jordanien nimmt die Angst der Leute vor der regionalen Situation als selbstverständlich hin, um so weiter zu machen wie immer."
Auch die Kameraden der Moslembruderschaft sind ins Abseits gestellt, auch wenn sie die Hauptmasse der Opposition ausmachen. "Wahlen sind nur Dekor," meint Nimr al-Assaf, ein Bruderschaftsmitglied, der sagt, dass der König sich nur einmal mit Parteimitgliedern getroffen hat seit er 1999 an die Macht kam. Das Parlament ist nach wie vor ziemlich zahnlos.
Jordaniens größte Sorge ist ein Angriff durch den IS oder dessen Sympathisanten. Aber Frau Ghneimat hält die Konzentration auf Sicherheit für falsch. Sie bringt regelmäßig Artikel, in denen der Aufmerksamkeitsmangel der Regierung für Ideologien und Radikalisierung kritisiert werden. Die Regierung hat erst kürzlich begonnen, religiös intolerante Schulbücher zu überholen; zu viele Prediger in den Moscheen stacheln zum Hass auf. Und obwohl nur 2% der 6,5 Millionen Einwohner Christen sind erklären viele Imame das Fest für "haram" (verboten). "Das Problem liegt darin, dass der IS unseren jungen, abgekoppelten Bevölkerung eine Vision gegeben hat", meint Frau Ghneimat. "Jordanien wird nicht überleben, wenn unsere Führer nicht etwas vergleichbares anbieten."
Im Original: Jordan is stable, but it will not be easy to keep it that way
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