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Dienstag, 6. September 2016

Moon of Alabama: Syrien - wer gewinnt in der türkisch-russischen Abmachung?


5. September 2016


Heute gab es zwei Schlagzeilen welche die Behauptung unterstreichen, wonach die Berichterstattung "westlicher" Medien oftmals der ersichtlichen Realität widerspricht.

Washington Post: Das erste Mal seit 2013 hat der IS keine Grenze zur NATO
Independent: IS 'vom Rest der Welt abgeschnitten" nachdem die Islamisten von Rebellen von der türkischen Grenze vertrieben wurden

Auszug aus letzterem:
Der IS verlor die Kontrolle über sein letztes Gebiet an der Grenze zur Türkei wie Überwachungsgruppen sagen, und was ein großer Rückschlag für die Fähigkeit des IS an ausländische Kämpfer aus dem Rest der Welt zu gelangen.

In Wahrheit ist der IS weder vom Rest der Welt abgeschnitten, noch von der NATO. Kämpfer wie auch Ausrüstung kommen noch immer aus der Türkei, ganz so wie es in den letzten Jahren geschehen ist.

Man muss sich nur mal die Landkarte anschauen:

Landkarte in gross


Die türkisch-syrische Grenze zwischen Azaz, Al-Rai'i und Jarablus mit den Gebieten des IS auf der Südseite (grau) war immer offen für den Verkehr zwischen den beiden Gebieten. Nun bewegten sich die türkische Armee und türkische Stellvertreterkräfte "moderater Rebellen" in den grünen Streifen auf der syrischen Seite. Das hat die Grenze weder geschlossen, noch abgeriegelt, wie es verschiedene Länder forderten. Sie haben nur einfach die Grenze weiter in den Süden geschoben. Der Übertritt zwischen den vom IS gehaltenen Gebieten und der türkisch kontrollierten Zone wird nun noch einfacher werden, weil die Medien dort keinen Zutritt haben. Die Tauschgeschäfte werden nun außerhalb des einsehbaren Bereichs stattfinden und es werden Geld und Waren fliessen.

Es gab auch keinen Kampf um den Streifen zwischen dem IS und den türkischen Truppen. Die Türken sagten dem IS einfach nur, weiter in den Süden zu ziehen und das haben sie gemacht, bevor die Türkei und ihre Söldner einmarschierten. Es gab nicht einen toten Türken im Kampf um das Gebiet. Die Veränderung der Grenzlinie wurde ganz offensichtlich in gegenseitigem Einverständnis vorgenommen.

Es ist völlig lächerlich, wenn einige Medien das ganze als Grenzschliessung oder Abschnüren verkaufen wollen. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Hauptabsicht der Türkei mit diesem Vorgehen bestand im Verhindern einer Verbindung zwischen den kurdischen Gebieten (gelb) im Westen und im Osten. Solch ein kurdisch kontrollierter Verbindungsstreifen entlang der Grenze hätte den IS tatsächlich abgeschnitten. Der IS Verkehr würde nicht durch die kurdischen Kontrollpunkte durchkommen.

Die Türkei wird eventuell versuchen, die eingenommenen Gebiete zu anektieren. Es gibt Pläne, auf der syrischen Seite neue Städte zu bauen für die Flüchtlinge, die momentan in türkischen Lagern leben. Die Türkei könnte also einen Großteil der Lasten des Krieges den sie auch verursacht hat auf Syrien abladen.

Russland und der Iran stimmten dem Einmarsch der Türken in das Gebiet zu, nachdem die Türkei versprach, die Angriffe auf Aleppo nicht länger zu unterstützen. Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob die Türkei sich an das Versprechen hält. Einige der türkischen Stellvertreterkämpfer, die beim Angriff auf Aleppo dabei waren wurden zurückgezogen und in den frisch besetzten Grenzstreifen beordert. Allerdings scheint die materielle Unterstützung in Form von Munition und anderem Nachschub weiterzugehen.

Zwei gute Analysten meinen, dass die Vereinbarung, auch wenn sie nicht wirklich als gut erachtet wird, noch immer zu Russlands und Syriens Vorteil ist.

Elijah Magnier sagt, dass Russlands Politik in Syrien wie eine Matrjoschkapuppe ist, bei der eine in der anderen gestapelt ist. Die ausgeklügeltsten dieser Puppen haben 50 Ebenen, also 51 Puppen, die es auseinanderzunehmen gilt. So meint Magnier:
Putin scheint die erste Matrjoschka herausgezogen zu haben, als er letzten September die Feinde von Damaskus bombardierte. Er zog die nächst kleinere heraus, als er den Waffenstillstand akzeptierte. Dann zog er eine dritte Puppe und half das erste mal dem belagerten Aleppo. Die vierte holte er meisterhaft heraus, als er Erdogan unterstützte und - Putin noch vor Obama - die sichere Passage türkischer Truppen nach Syrien zustimmte.

Sollte die Türkei die Vereinbarung verlassen, oder die USA etwas hässliches probieren, dann wird die nächste der verbleibenden 47 Puppen herausgezogen und ein neuer russischer Plan kommt zum Vorschein.

Raphael Lebrujah vom französischen Mediapart gibt seine Ansicht zum türkisch-russischen Abmachung wider:
Putin hat gerade einen Hattrick erzielt. Tatsächlich hat er den alten Widersacher Türkei gerade, zusätzlich zu den vielen Vorteilen, die ihm Erdogan gab, in die syrische Hölle geworfen. Erdogan tappte in die Falle, weil er vom Kampf gegen die Kurden besessen ist.
[..]
Russland schaffte das Kunststück mit einem Stein drei Treffer gegen drei Widersacher des syrischen Regimes zu landen: Die Kurden, die syrischen Islamisten und die Türkei. Das Destabilisieren der Beziehungen zwischen den drei Akteuren und das gegenseitige Aufeinanderhetzen ist ein Hattrick. Noch besser ist, dass die USA sich offenbar nicht zwischen pro-türkisch und pro-kurdisch entscheiden können. Tatsächlich scheinen die CIA und die US Politk eher türkeifreundlich zu sein, das Pentagon aber steht zu den Kurden.

Wirtschaftlich gewinnt Russland mit den Handelsbeziehungen zur Türkei. Die "moderaten" Islamisten im neuen türkischen Gebiet sind nun von den Al-Kaida Gruppen um Aleppo herum abgeschnitten. Die Türken und Kurden in Syren werden genug zu tun haben, sich gegenseitig zu bekämpfen. Tatsächlich kann Russland sogar die Kurden gegen die Türkei einsetzen, sollte Erdogan versuchen ein krummes Spiel zu spielen. Es würde genügen, von Armenien aus ein paar Panzer- oder Luftabwehrraketen in den türkischen Osten zu schmuggeln und das türkische Militär bekäme größte Probleme im Kampf gegen die heimische PKK. Die türkische Wehrpflichtigenarmee, die bereits geschwächt ist wegen mehrerer Säuberungen nach dem kürzlichen Putschversuch kann keine großen Verluste erleiden, weil sonst die türkische Bevökerung aufbegehren würde.

Der IS wird weiter mit der Türkei verbunden sein. Seine Kampfkraft aber wurde ernsthaft eingeschränkt und er fällt bereits jetzt zurück auf Guerilla Taktiken. Offene Schlachten werden umgangen. Im Laufe der Zeit werden sie eingehen.

Es mag durchaus noch einige Überraschungen durch den IS geben, da sie über einige ziemlich gut ausgebildete Leute verfügen. Ihr neuer Militärkommandeur Gulmurod Khalimow, ist ehemaliger Kommandeur der tadschikischen Spezialeinheiten, der eine intensive Ausbildung Terrorabwehr durch US Ausbilder und Spezialeinheiten erhielt. Er ersetzt nun den toten Abu Omar al-Shishani, einen tschetschenischen Offizier der Spezialeinheiten aus Georgien, der eine intensive Ausbildung Terrorabwehr durch US Ausbilder und Spezialeinheiten erhielt. Oh nein, schau dort! Die Russen haben gerade wieder eine Fassbombe abgeworfen! Hier aber gibts nichts zu sehen, rein gar nichts..


Im Original: Syria - Who Wins In The Turkish-Russian Deal?

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