Mittwoch, 27. Juli 2016

The Spectator: Europas Terrorsommer: Werden die Politiker nun endlich die Realität des islamischen Terrorismus anerkennen?



Von Douglas Murray, 27. Juli 2016


Na, wie läuft Ihr Merkelsommer denn so? Momentan scheint es, als würde das gröbste an Großbritannien vorbeigehen. Es stimmt schon, ein paar Typen mittelöstlichen Aussehens versuchten einen Soldaten nahe seiner Kaserne in Norfolk zu entführen, und es ist unwahrscheinlich, dass sie mit ihm in einen ökumenischen Dialog treten wollten. Aber Großbritanniens geografischem Glück sei dank, und auch seinem relativem Erfolg, den Umlauf an Waffen zu kontrollieren, und überdies unser gerechtfertigter Skeptizismus gegenüber der Aktivistenbrigade der "Offenen Grenzen" haben zur Folge, dass wir so weit von den Bereicherungen verschont blieben, was Angela Merkels wachsende Armee an Kritikern als den Sommer des Terrors bezeichnen.

Es ist nun vierzehn Tage her, seitdem Mohammed Lahouaiej-Bouhlel "Allahu Akbar" rief und mit einem LKW an Nizzas Promenade in eine Menschenmenge raste und 84 Personen tötete. Am Monat danach hat Mohammed Riyad, der sagte er sei aus Afghanistan, aber höchstwahrscheinlich aus Pakistan kommt, ebenso "Allahu Akbar" geschriehen, um dann in einem Zug in Bayern mit einer Axt auf seine Mitpassagiere einzuhacken. Ein Tag später rief noch ein Mohammed, dieses Mal Mohamed Boufarkouch sein "Allahu Akbar" und stach in der Nähe von Montpelier auf eine Französin und ihre drei Töchter (acht, 12 und 14) ein. Um etwas Farbe in die Sache zu bringen hiess der Schütze von München am Freitag Ali David Sonboly und hatte iranische Eltern. Dann gehts ein paar Tage weiter und man erfährt, dass ein "syrischer Asylsuchender" nahe Stuttgart mit einer Machete eine schwangere Frau tothackte. Wieder ein Tag später geht ein weiterer "syrischer Asylsuchender" namens Mohammad Daleel hin und sprengt sich außerhalb eines Konzerts in Ansbach in Bayern in die Luft. Und gerade einmal gut 24 Stunden später betreten zwei Männer während einer Messe den IS mit Geschrei preisend eine Kirche in Rouen, nehmen die Nonnen und die Kirchenbesucher als Geiseln und schlachten den Priester mit einem Messer ab.

Obwohl der Öffentlichkeit völlig klar ist  was los ist, scheinen die Medien unwillig zu sein, zwischen den Ereignissen eine Verbindung zu finden. Tatsächlich ist es so, dass die selben Blätter, die den Anstieg an "Hassverbrechen" durch Personen die für den Brexit gestimmt haben übertrieben hatten, scheinen nun nicht bereit zu sein, in der selben Weise jenen Personen die Schuld zu geben, welche für die sehr realen und gewalttätigen Anschläge auf die Personen verantwortlich waren. "Syrischem Mann wurde Asyl verweigert und tötet sich in Explosion" lautete die Schlagzeile bei Reuters für die Ansbachgeschichte und verwandelte den Selbstmordattentäter anstandslos in ein Opfer des deutschen Asylsystems, das der wahre Täter sei. Reuters schrieb weiter: "Ein 27 Jahre alter syrischer Mann, dem vor einem Jahr in Deutschland das Asyl verweigert wurde starb am Sonntag, als eine Bombe, die er bei sich trug außerhalb eines Konzerts eplodierte." Wie schrecklich für ihn, die Bombe in so einer Weise zu verlieren.

Die etwas komplexere Geschichte des Münchner Schützen erlaubte jedem, die eigene Lieblingserklärung für Gewaltausbrüche in die Öffentlichkeit zu tragen. Unangemessene Sozialleistungen, unbrauchbare Stadtplanung und Mobbing wurden hervorgebracht als Gründe, weshalb Ali David Sonboly in einem McDonalds damit begann um sich zu schiessen. Andere lehnten sich etwas weiter aus dem Fenster und nannten ihn einen IS-Kämpfer, auch wenn es scheint, dass er keiner ist. Die BBC umging das Problem komplett, indem sie in der Berichterstattung auf seinen Namen "Ali" und seinen religiösen Hintergrund verzichteten. Stattdessen ludt die Tatsache, dass die Schiesserei am fünften Jahrestag von Anders Breiviks Anschlag in Norwegen stattfand dazu ein, die muslimische Augenzeugin zu ignorieren, die Sonboly "Allahu Akbar" rufen hörte, und mit der Breivik Titelzeile zu gehen. Das heisst effektiv, dass im Europa des Jahres 2016 ein Kind iranischer Eltern als weißer Rassist bezeichnet werden kann, während egal welche Anzahl an "Allahu Akbar" schreienden Mohammeds keine Verbindung zum Islam nachgewiesen werden kann.

Teile der Medien und der politischen Klasse scheinen entschlossen zu sein, die Öffentlichkeit von irgendwelchen Schlussfolgerungen abzuhalten. Aber die meisten von uns haben vermutlich vor langer Zeit schon ihre Konsequenzen gezogen, da die Schlussfolgerungen sich fast täglich aufdrängen.

Für die kommende Zeit ist es naheliegend, den IS zu beschuldigen. Das macht Sinn. Der Zugattentäter in Deutschland hatte eine Flagge des IS zu Hause, der Attentäter von Ansbach hinterliess ein Video, in dem er seine Anhängerschaft zu der Gruppe verkündete und mindestens einer der Angreifer der Kirche in Rouen versuchte nach Syrien zu reisen, um sich dem IS anzuschliessen. Das Ausmaß zu dem die Gruppe involviert ist mag variieren, und sie übertreiben zweifellos ihre Möglichkeiten, aber ihre Fähigkeiten andere zu inspirieren, wie auch zu instruieren wird ein Problem bleiben so lange es sie gibt.

Allerdings zeigen Meinungsumfragen, dass die europäische Öffentlichkeit weis, dass das Problem größer ist als das. Vor dem IS war es Al-Kaida. Nach dem IS wird es etwas anderes sein. Eine Umfrage vor zwei Jahren vor dem Anschlag auf Charlie Hebdo zeigte, dass 74 Prozent der Franzosen glaubten, dass der Islam eine intolerante Religion sei und inkompatibel mit den Werten der Französischen Republik. Die Reaktion der meisten Politiker auf diese Ergebnisse bestand darin, dass die Öffentlichkeit nicht genug über den Islam wisse, oder den Islam noch nicht genug erfahren habe. Im Gegenteil, die meisten Franzosen - wie auch die Christen im Mittleren Osten - haben den Islam recht intensiv kennengelernt und sie mögen ihn deswegen nicht. Die Elitenpolitiker können damit nicht übereinstimmen, und das nicht zuletzt, weil sie (und Merkel insbesondere) verantwortlich sind für die massive Zunahme an muslimischer Migration nach Europa, wodurch die Zukunft sich fundamental verändern wird. Allerings ist das eine Lücke, die früher oder später überbrückt werden muss.

Ein Weg dies zu tun wäre mit Hilfe von Ehrlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit, selbst wenn es einen politischen Preis zu bezahlen gäbe. Der französische Ministerpräsident Manuel Valls wurde etwa stark kritisiert, weil er sagte "wir müssen lernen, mit Terrorismus zu leben". Aber er hatte recht. Die Begrenzung des Zugangs zu [illegalen? d.R.] Waffen und Sprengstoffen ist der wichtigste Schritt hin zur Begrenzung von Terror. Aber man kann nicht den Zugangs zu Messern oder LKWs begrenzen, und auch wenn viele Möchtegerndschihadisten womöglich vom Verlieren des eigenen Lebens abgehalten werden könnten, wenn sie vielleicht nur ein Leben nehmen können, so braucht es dennoch nur wenige innovative Anschläge jeden Monat, um ein Land bedeutend zu verändern. Es ist schwer sich ein Sicherheitskonzept vorzustellen, das einen Anschlag wie in Rouen verhindern könnte. Präsident Hollandes "Ausnahmezustand" konnte fünf Anschläge in den letzten acht Monaten nicht verhindern.

In Anerkennung dessen ist Valls neben einigen anderen bereit sich scharf zum Thema "Islamismus" zu äußern. Aber wie jeder andere politische Führer in Europa ist auch er nicht bereit anzuerkennen, wo das ganze herkommt. Und wieder ist ihm die Öffentlich weit voraus. Sie wissen, dass Islamismus vom Islam herrührt. Die extreme Interpretation mag ein Minderheitenproblem sein, aber wenn ein Kontinent Probleme hat, die Muslime zu assimilieren, die bereits hier sind, so ist es doch ein großes Risiko so viele weitere Einwanderer aus den kriegszerrissenen Teilen der Welt hereinzulassen, wo der Dschihadismus bereits ein weit verbreitetes Übel darstellt. Einige der Attentäter diesen Sommer wurden bei uns geboren; andere waren erst kürzlich angekommen.

Viele jener, die gegen Angela Merkels Politik der offenen Türe und der Leistungen für alle waren, vertraten diese Meinung genau deswegen. Wenn Europa wirklichen Flüchtlingen helfen will, dann kann es das außerhalb Europas tun, so wie Großbritannien mittlerweile damit begann. Es gibt keinen Grund, weshalb Europa in ein riesiges Flüchtlingslager umgewandelt werden muss: Wir können es uns nicht leisten und jenseits des lauten Gezeters der Extremisten unter den Migranten wollen es die Europäer auch nicht. Die Tragödie besteht darin, dass jene an den Schalthebeln der Macht noch sich immer weigern, sich dem Problem entgegenzustellen, oder überhaupt eine vernünftige Sprache an den Tag legen für das, was inzwischen sehr schnell zu einem unangemessenen politischen Problem wurde. Gerade diese Woche sagte Jean-Claude Juncker, dass egal wie schlimm der Terrorismus würde, Europa niemals vom Diktum der offenen Grenzen abrücken würde. Der UN Vertreter Peter Sutherland wiederholte diese Ansicht, wonach es jedem, der in Europa leben möchte - selbst Wirtschaftsmigranten - auch erlaubt sein sollte hierher zu kommen. Unsere Heimat nicht jedem in der Welt auzuhändigen wäre, so erklärte er, ein Affront gegen die europäischen Werte.

Währenddessen hat sich in Deutschland trotz der anstehenden Wahlen nächstes Jahr noch kein ernsthafter Konkurrent für Angela Merkel gezeigt. Und sie steht eben nicht kurz davor das Ruder herumzureissen und das angerichtete Chaos anschauend zu sagen: "Hoppla."

Während die Öffentlichkeit also weiter nach rechts rutscht werden ihre Vertreter weitermachen mit ihrem Marsch nach Links. Und der Merkelsommerwahn wird weitergehen und sich bis in den Herbst ziehen. Dieser könnte dann nicht nur der Herbst dieses Jahres sein - sondern der Herbst des liberalen Europa.


Im Original: Europe’s terror summer: will politicians now accept the reality of Islamic terrorism?

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