Freitag, 10. Juni 2016
Guardian: Die Wähler werden allen, die ihnen über die Gefahren eines Brexit einen Vortrag halten den Finger sonstwo hinstecken
Von Suzanne Moore, 8. Juni 2016
Ich weis nicht, wie viele mich noch dazu ermahnen werden, den Status quo zu wählen. Stephen Hawking, Schauspieler die mir egal sind, meine Familie und Freunde machen es, George Osborne in seiner Warnweste, irgendein bleicher Liberaldemokrat - all diese pro-EU Leute. Der Verbleib ist gerecht. Moralisch überlegen. Alles andere ist Farageand, altmodisch, nah dran an Rassismus, verzweifelt unkosmopolitisch. Euopa ist der Traum von Wochenenden in Warschau, Festivals in Barcelona und Konzerten in Amsterdam. Es geht um Freiheit und Modernität und Interkonnektivität. Vor allem mit Hilfe von Billigflügen. Was für Leute würden diese Art der Kooperation blos ablehnen?
Ziemlich viele um genau zu sein, da der Traum von Europa nicht real ist - Europa ist nicht die EU, obwohl die Begriffe so oft miteinander gleichgesetzt werden - und weil all diese Leute, die es nicht wollen von der Debatte ausgeschlossen sind.
Viele meinen etwa, dass sie Europa lieben, dass sie sich europäisch fühlen und reden von der EU als sei sie eine Art gütige, fast wohltätige Organisation. Nein. Die EU ist eine Freihandelsorganisation. Sie existiert, um den neoliberalen Kapitalismus umzusetzen, von dem ich dachte, die Linke sei nicht so begeistert davon. Sicherlich lässt sich argumentieren, dass Freihandel den Frieden sichert, aber das nicht nicht das selbe wie eine humanitäre NGO. Das Ding wird von Jean-Claude Juncker geleitet, dem ehemaligen Staatschef von Luxemburg, Europas größtem Steuerparadies. Mario Dragi ist ehemaliger Vorsitzender von Goldmann Sachs und nun Leiter der EZB, während Donald Tusk, ein ehemaliger rechter Ministerpräsident in Polen, heute den Europarat leitet. Angela Merkel leitet die einflussreichste Nation darin.
Auch die Eurozone kriselt. Sollten wir für das Verlassen der EU stimmen könnte das ganze Ding implodieren. Eine Reihe von Ländern haben die Last der EU Politik aufgeschultert bekommen, nicht nur Griechenland, auch Portugal, Irland und Spanien. Die Arbeitnehmerrechte werden von der EU geschützt? Das sollte den Ländern mit einer Langzeitarbeitslosigkeit unter Jugendlichen erzählen. Verteilt die EU den Wohlstand um? Zu den Bankern, ja. Wir wissen wer sowohl hier wie auf dem Kontinent leidet: Die Ärmsten. Wer genau repräsentiert momentan ihre Simme? Ich bin nicht überrascht, dass die Umfragen über den Verbleib oder das Verlassen eine Spaltung entlang der Klassen zeigen. Jene, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen und deren Gehälter schrumpfen haben ihren Glauban an die Fähigkeit der politischen Klasse verloren, dass sie repräsentiert werden. Die Antwort dieser politischen Klasse - alle anderen sind Rassisten - ist ein Nullsummenspiel. Viele werden für das Verlassen stimmen, weil sie den Mächtigen damit den Finger zeigen können, nur dieses von oben Vorträge halten durch all jene, die von der Globalisierung profitiert haben ist gelinde gesagt wenig konstruktiv. Das Land ist geteilt und wird geteilt bleiben. Als es eine Gelegenheit für die Linke gab sich einzusetzen, da hat Corbyn in seiner Lethargie darauf verzichtet, die Verantwortung zu übernehmen.
Der rechte Populismus von Nigel Farage und ja, auch von Donald Trump, basiert auf den internen Grenzen des Neoliberalismus. Die Haltung, dass freie Märkte nicht Gottes Wille ist, der Versuch, die Arbeitnehmerfreizügigkeit auszubremsen zum Preis, dass Knappheiten entstehen können, aber es sollte die Linke sein, die diese Punkte hervorbringen sollte. Anstatt dessen haben wir nun einfach nur zwei unterschiedliche Standpunkte vertretende rechte Männer, die sich gegenseitig anbrüllen. Einige Frauen wurden spätabends zu einer Diskussion mit Boris Johnson gefahren, etwas für das wir offenbar dankbar sein sollen.
Jede Referendumsdiskussion nimmmt an, dass eine Labourregierung unmöglich sei, daher ist die linke Haltung zum Brexit ein Nicht-Thema. Stattdessen muss die Hoffnung auf "junge Leute" gesetzt werden, von denen angenommen wird, dass sie alle das gleiche denken und nach Glastonbury gehen.
Uns wird also erzählt, dass es sowohl eine außerordentlich wichtige Abstimmung ist und dass jeder mit dem Kopf abstimmen soll, aber nicht mit dem Herzen, als hätten wir bereits verloren. Irgendwie wird die EU schon reformiert werden. Wir wissen nur nicht genau wie.
Wenn aber erstmal das Verlassen Lager seine Stärke gefunden hat, dann werden sie sicherlich Druck machen, oder? Die Angelegenheit wird nicht ruhen. Das komplette Fehlen von Glaubwürdigkeit der Hauptkontrahenten (Cameron, Corbyn und Johnson, der angsichts seines Hintergrundes genauso gut für die andere Seite argumentieren könnte) ist lächerlich. Die Öffentlichkeit bekommt so etwas mit, aber wieder wird uns gesagt, dass es in Wahrheit um Einwanderung geht, oder um demokratischen Defizite, oder um Souveränität. Oder diesen "Ich will der Welt das Singen beibringen" Eurovison. Vielleicht geht es auch darum. Währenddessen bedeutet das komplette Nervenversagen der Linken, dass die niedrig bezahlten untersten 10% sich für das Große Ganze opfern sollen.
Auch ich leide am Verlust meiner Nerven wegen der Leute in meinem Lager: Die Apokalypse eines Borisconi (Boris - Berlusconi - Johnson, d.R.). Aber ich fühle, dass es für viele ein seltsames Spielchen ist, dass hier gespielt wird, da eine Stimme für den Brexit nicht wirklich wie ein großes Risiko wirkt. Ein großer Teil Englands ist bereit, die Würfel zu werfen; dieser Teil Englands, der so oft beledigt wurde, dämonisiert und respektlos behandelte von all jenen, die vorgeben diese zu respektieren, sie brauchen niemanden der für sie spricht. Dieses England wird nicht das machen, was ihnen gesagt wird. Dieses England mag nicht London sein und mag nicht in die Phantasie eines Großbritannien passen, egal welche Seite gewinnt. Wenn aber Regierung, Opposition und Privatwirtschaft mit einer Stimme sprechen, dann fühlen viele, dass es nicht wirklich etwas zu entscheiden gibt.
Im Original: Voters will stick two fingers up to those lecturing about Brexit’s dangers
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