Mittwoch, 6. April 2016

The Economist: Über eine kranke Rose



Die Mittelinke erlebt in ganz Europa einen scharfen Niedergang. 2. April 2016


"Sie sind weg. Ich weis nicht einmal mehr, was für ein Programm sie haben." Von seinem Büro aus blickt Giorgos Gogos, Chef der Hafenarbeitergewerkschaft, auf die sonnengebleichten Anlegeplätze und Kräne von Piräus und sinniert über Pasok, die sozialdemokratische Partei, die über Jahrzehnte die Politik dieses wuseligen griechischen Hafens betimmte. Jahrelang lag die Partei hier bei etwa 45%. Dann kam die Wirtschaftskrise. Auf Verlangen der Europäischen Institutionen stimmte die Pasok Regierung der Privatisierung des Containerterminals in Piräus zu. Die angewiderten Arbeiter verliesen die Partei scharenweise in Richtung ganz links oder ganz rechts und haben den Anteil der Sozialdemokraten bei der Wahl 2015 zusammengedampft auf 4%. Die Spuren dieser Radikalisierung sieht man überall an die Lagerhallenwände gesprüht: Hammer und Sichel; Hakenkreuze; "Die Hafenbehörde von Piräus in Arbeiterhände!". "Warum sollte noch jemand für Pasok stimmen?" fragt Kiriakos, ein ehemaliger Parteiaktivist. "Sie stehen für nichts mehr."

Griechenlands wirtschaftliche und politische Wirren sind ohne Beispiel. Als Herr Gogos aber scherzt, dass Griechenland "Europa im Schnelldurchlauf" sei, hat er die Wahrheit vielleicht gut getroffen. Politikwissenschaftler sprechen mit Blick auf Eurpas Mittelinke von einer "Pasokifizierung". Die Unterstützung sozialdemokratischer Parteien bricht ein wie nie zuvor.




Noch zu Beginn des Jahrhunderts konnte man von Inverness in Schottland nach Vilnius in Litauen fahren, ohne durch ein Land in rechter Hand zu kommen; genauso wäre es gewesen bei einer Fahrt durch Skandinavien. Sozialdemokraten führten die Europäische Kommission und wetteiferten um die Mehrheit im Europäischen Parlament. Kürzlich aber fiel ihr Stimmenanteil in regionalen (wie auch europaweiten) Wahlen um ein Drittel, so niedrig wie seit 70 Jahren nicht. In fünf EU Ländern wurde letztes Jahr gewählt und die Sozialdemokraten verloren die Macht in Dänemark, bekamen das schlechteste Ergebnis aller Zeiten in Finnland, Polen und Spanien und entkamen dieser Schmach um Haaresbreite in Großbritannien.

Anderswo, das ist wahr, sind die Mittelinken noch an der Macht: Als ungeliebte und ideologisch verwässterte Juniorpartner in Deutschland und den Niederlanden und an der Spitze wackeliger Koalitionen in Schweden, Portugal und Österriech, alles Länder, in denen sie einst ein natürlicher Teil der Regierung waren. In Frankreich durchwandert Präsident Hollande neue Tiefen der Unbeliebtheit und könnte bei der Präsidentschaftswahl nächstes Jahr nicht einmal in die zweite Wahlrunde kommen. Matteo Renzi, Italiens dynamischer Ministerpäsident steht besser da, aber auch seine Partei verliert (im Mai möglicherweise die Mehrheit in Rom) an die Fünf-Sterne Bewegung (M5S), einer anti-elitären Partei, die von einem Blogger gegründet wurde. Ehemalige lokale und regionale Bastionen wie London und Amsterdam, Katalonien und Schottland entglitten dem traditionellen mittelinken Griff.

Wo aber gingen all die Stimmen hin? Viele gingen über zu Populisten, typischerweise marktwirtschaftsfeindliche Linke in Südeuropa und migrationsskeptische Rechte im Norden. Aber die alternativen linken Parteien (Feministen, Piraten und Grüne etwa), Linksliberale und Mitterechte haben ebenso profitiert. Und auch die Nichtwählerpartei hat es.


Europas Linke hat schon früher verloren; ihre Glückssträhne endete in den späten 80ern und frühen 90ern. Sie kamen dann wieder zurück unter Anführern wie Tony Blair und Gerhard Schröder, welche die tradierten Überzeugungen zu rigiden Arbeitsmarktgesetzen und hohen Steuern aufgaben zugunsten von mittigen Lösungen eines "dritten Weges" in Kombination mit Sozialreformen, Deregulierung und guten öffentlichen Dienstleistungen, die vom Wirtschaftswachstum getragen wurden. 1996 standen die Sozialdemokraten so gut da wie eh und je.

Das Vertrauen der Wähler aber bekamen einen starken Riss in der Wirtschaftskrise der späten 2000er, auf welche die Mittelinken mit Einschnitten, welche sie ununterscheidbar machten von der Rechten. Gleichzeitig kamen auf der Rechten Parteien auf (besonders in Deutschland, Großbritannien und Schweden), die sich die populären Teile des Dritten Weges zueigen machten, etwa die Sozialhilfe zu Arbeit Programme Schwedens, Schulreformen und den Mindestlohn Großbritanniens.

Dann kam die Eurokrise und verschäfte alles. In Europas Norden wurde das Nachgeben der Austeritätspolitik von den Wählern wahrgenommen, als würde ihr Geld genommen, um die ausganbenfreudigen Südländer rauszuhauen. Die Ansichten auf der Linken wurden dadurch scharf getrennt. Man nehme etwa die missliche Lage, in der sich Herr Hollande wiederfand. 2012 wurde er unter dem Spruch "Zeit für einen Wandel" gewählt und versprach die Austerität zu beenden und die Wirtschaft zum Laufen zu bringen.

Dann aber wurde die 75% Einkommensteuer fallengelassen, nachdem sie nur dürftige Ergebnisse lieferte. Die restliche Euro-Zone bestand auf die Einhaltung der Defizitgrenzen, die zuvor ignoriert wurden, nun aber endlich ernstgenommen werden sollten. Mit den Märkten im Würgegriff, unfähig abzuwerten und verängstigt von der Aussicht, dass Frankreich in einen Topf mit den scheiternden Südeuropäern geworfen wird hat Herr Hollande dann die Unternehmenssteuern gekürzt und Budgeteinsparungen vorgenommen.

Diese den Umständen geschuldeten Faktoren aber sind nicht vollverantwortlich für den tiefen und kontinentweiten Abfall. Vier Dinge haben dafür gesorgt, dass Europa ein härteres Umfeld wurde für die Mittelinke: Ihr eigener Erfolg, strukturelle Veränderungen der Wirtschaft, die geringere Angst vor politischen Extremen und der Niedergang der monolithischen Gesellschaftsklassen.

Zunächst der Erfolg. Viele Ziele der Linksparteien als Volksparteien können zurückverfolgt werden auf die zweite Internationale von 1889, auf der die Marxisten sich für den Parlamentarismus und gegen die Revolution entschieden, und wurden erreicht. Das Credo universeller öffentlicher Dienstleistungen und Umverteilung von Wohlstand, die beide umstritten waren sind heute weitgehend akzeptiert und sind leichte Beute für andere Parteien ob links oder rechts. Wie Joseph Muscat, der Labour Ministerpräsident von Malta meint: "Gibt es wirklich jemanden, der es ablehnt, dass alle eine Rente haben sollten?" Das Gefühl eines anhaltenden Kampfes, in dem mehr Siege errungen als Niederlagen eingesteckt wurden, es ist weg.

Gleichzeitg haben sich die europäischen Volkswirtschaften so verändert, dass kollektivistische Politik, auf welche die Mittelinke ausgelegt war nicht mehr funktioniert. Der Gütertransport wurde schneller, billiger und standardisiert; Kapital ist sehr mobil; Handeslverträge (und damit verbundene Regulierungen) sind weitreichender; und die Automatisierung ist weit fortgeschritten. Arbeitsplätze wurden ins Ausland verlagert oder wegrationalisert; die gewerkschaftsgetriebenen Industrien der Industriellen Revolution, Bergbau und Stahl, sind weitgehend verschwunden. Es gab einen fundamentalen Wandel weg von der Produktion und hin zu Dienstleisungen und von Staatsbetrieben hin zur Privatwirtschaft.

Der Fall des eisernen Vorhanges 1989 und die nachfolgende Integration Osteuripas in die EU beflügelte einiges dieses Wandels durch das neue Überangebot an billigen Arbeitskräften. Es gab aber auch tiefere Auswirkungen. Die Politik der EU Länder war bis dahin gefangen in der Geschichte: Gehemmt durch die Gefahr der Sowjet Union einerseits und auf der anderen Seite die wachen Erinnerungen an den Faschismus bewegten Christ- wie Sozialdemokraten immer wieder in die Mitte. Die jüngere Generation an Parteien hatte damit einen breiten Raum jenseits des Mainstrems, den sie besetzen konnten.

Diese Verbreiterung des politischen Spektrums geht einher mit einem vierten Wandel: Die Fragementierung der Idenditäten, auf welche die Mittelinke gebaut war. Eine Studie der BBC von 2013 zeigt, dass nur noch etwas mehr als ein Drittel der britischen Wählerschaft zur traditionellen Arbeiter- und Mittelschicht gehören; Die übrigen lassen sich in neue, hybride Kategorien einordnen, wie etwa "neureiche Arbeiter", "technische Mittelschicht" und "aufstrebende Dienstleister". Junge Wähler, die mit sozialen Medien aufwachsen erschaffen sich eher eigene esoterische Idenditäten, als dass sie sich in ein bestehendes Idenditätskollektiv einfügen. Sie bevorzugen Bewegungen vor Parteien.

Diese Änderungen bergen Probleme für Parteien aller coleur. Europas Linke allerdings hat damit besondere Probleme, da sie weniger zusammengehalten wird durch die gemeinsame Kultur, denn durch die gemeinsam verfochtenen Rechte. Die Mittelinke verlies sich auf die Industriearbeiterschaft und eine bedeutende Fraktion der Mittelschicht, insbesondere jene im öffentlichen Sektor, welche alle mehr oder weniger das gleiche wollten, ein Trick, der immer dann gut funktioniert, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie alle etwas gemein hätten. Es ist kein Zufall, dass in Europas zuverlässigsten sozialdemokratischen Hochburgen - der Emilia Romagna, Andalusien, Englands Nordosten und Nordrhein-Westphalia - eine Bevölkerung haben, die ein proletarisches Selbstbild hat, das es Politikern leichter macht eine gemeinsame Sprache mit Arbeiter- und Mittelschicht zu finden.

Heute gibt es eine Divergenz der Interessen, die befördert wird durch den Niedergang der Schwerindustrie und dem Erfolg von Orten, an denen Arbeitsplätze in hochqualifizierten Clustern entstehen und somit die Spaltung zwischen klassischen Arbeitern in niedergehenden Industriestädten und fortschrittlichen Experten in aufstrebenden Städten weitet. Simon Hix von der London School of Economics zitiert dazu ein dänisches Politdrama über kosmoplitische Politmedientypen "die wachsende Trennung... zwischen Wählern in kreativen, liberalen, 'Borgen' Städten wie London, Kopenhagen und Berlin mit jenen in den rostenden Fabriken und Hafenstädten wie Rotterdam, Malmö und Lille."

Wo einst Kopenhagen und Lille vereint waren in ihrer Unterstützung sozialdemokratischer Politik sind sie unn getrennt durch eine immer stärker werdende hervorspringende Politik der Idendität. Die Borgen Typen sind internationalistisch und sozial libertär, ihre Gegenparts dagegen nationalistisch und sozial konservativ; die Spaltung ist am tiefsten bei den Themen Einwanderung und EU. Und nun versuchen neue oder wiederbelebte Parteien auf beiden Seiten dieser Spaltung die Wähler einzusammeln, die von der Mittelinken nicht mehr gehalten werden können.

In den Niederlanden etwa kollabierte die PVDA bei den Wahlen 2012 von 25% auf heute 10%. Wie Rene Cuperus, ein einflussreicher Denker der niederländischen Mittelinken meint, hat die Partei ihre Wähler in den großen Städten und den Universitätsorten an die D66 verloren (einer liberalen Partei von Unternehmern und Experten) sowie an die Umweltbewegungen und die Libertären der Grünen; inzwischen bekommendie Grünen und D66 an die vier fünftel aller Studentenstimmen. Währenddessen schwenkten die ehemaligen Wähler der PDVA aus der Arbeiterschicht etwa in Rotterdamhave um zur Freiheitspartei des Antieinwanderungspopulisten Geert Wilders, der in den Niederlanden das versucht, was Marine Le Pen mit dem Nationalen Front in Frankreich vormacht.

Es gibt Teile in Europa, wo die beiden auseinander driftenden Gruppen noch zusammen stehen - es braucht aber einen stärkeren Halt, als die heutige Mittelinke anbieten kann. Der einzig wirkende Klebstoff ist der Wille zur Selbstbestimmung, wie man es in der schichtenübergreifenden Schottischen Nationalpartei sieht, wie auch bei der Junts pel Si ("Zusammmen für das Ja") Koalition in Katalonien.

Links der Mitte sind die Sozialdemokraten defensiv und konzeptlos, sie machen sich mehr Sorgen darüber, wie sie vergangene Erfolge konservieren können, als neue zu erreichen. Sie sind "weder Opposition noch Motor", wie Herr Cuperus es ausdrückt. "Es ist die Rechte, welche den Anspruch der Modernisierung geerbt hat und die kreative Kraft der Zerstörung als ein universelles Projekt ansieht," beklagte der britische Historiker Tony Judt in "Ill Fares the Land" ("Die Seuche geht um im Land"), einem Pamphlet für die Sozialdemokratie, das er noch auf seinem Sterbebett diktierte.

All die Dinge, die Wähler früher anziehend fanden an der Sozialdemokratie sind noch immer im Angebot: Man denke nur an Angela Merkels Senkung des Renteneintrittsalters, die Einführung des Mindestlohns, der umweltbewegte Anspruch der Zentristen. Selbiges würde vermutlich auch umgesetzt, wenn die dogmatischere Linke an die Macht käme und von der Realität nach rechts gedrängt wird. Syriza, die in Griechenland als echte linke Alternative gewählt wurde ist mittlerweile dabei, genau die Politik zu betreiben, die sie früher vehement ablehnte: Als The Economist mit Yanis Varoufakis sprach, Syrizas erstem Finanzminister, bezeichnete er seine ehemalige Partei als "neues Pasok". Spaniens linke Podemos Partei passte seine Politk kürzlich in Koalitionsverhandlung mit der mittelinken PSOE an.

Einiges an sozialdemokratischer Politik und Geist kann in den neuen Parteien gefunden werden, wie etwa der M5S in Italien und Ciudadenos, einer jugendlichen liberalen Partei in Spanien, auch wenn es noch anderes in deren Politikmix gibt. Andere Neugründungen machen sich auch andere traditionell sozialdemokratische Traditionen zueigen: In Berlin hat Herr Varoufakis am 9. Februar etwa DIEM 25 gegründet, eine linksorientierte "Bewegung", die sich der paneuropäischen Demokratie und der Lastenteilung verschrieben hat. Und auch die dirigistische Wirtschaftsführung, wie sie die Anführer des Dritten Weges abgelehnt haben, die aber bei vielen ihrer Genossen noch immer beliebt ist, bleibt vor allem bei einwanderungskritischen Populisten im Angebot erhalten: Als Zeuge für den Erfolg dieses Angebots dient Österreichs FPÖ, die sich selbst als mittelinks bezeichnet und ihren Wählern eine neue "soziale Heimatpartei" bieten will inklusive Plänen für eine "Wohnungsbauoffensive". Sie sind gerade dabei, die regierenden Sozialdemokraten bei der Präsidentschaftswahl am 24. April zu übertreffen.

Die verbleibenden Hochburgen sind dagegen müde. Man nehme Ludwigshafen, eine Industriestadt im Südwesten Deutschlands, in der zehntausende Arbeiter - alle selbstverständlich mit abgeschlossener Ausbildung - tagtäglich zu ihren gutbezahlten Arbeitsplätzen pendeln. Ludwigshafen hat SPD gewählt, selbst als mit Helmut Kohl in den 1980ern einer ihrer eigenen Kinder Deutschlands mitterechter Kanzler war. Bis am 13. März die Wähler südlich der Stadt (im Hochtechnologie- und Umweltland Baden-Württemberg) und nordöstlich davon (im ehemaligen Sachsen-Anhalt) die Partei verliesen, allein die phlegmatischen Ludwigshafener blieben loyal.

Auch der Wahlkampf von Malu Dreyer, einer anpackenden und gewitzten regionalen Anführerin, die im vollen Gegensatz zu ihren glanzlosen Parteifreunden steht, war bemerkenswert fade. Frau Dreyer bewarb die einst rein sozialdemokratischen Pfründe, die heute alle wollen: Kinderbetreuung, niedrige Arbeitslosigkeit, Berufsausbildung ("Wir wollen Meister wie auch Master"). Eine Blasmusikkapelle spielte einen Foxtrot und "Mecky Messer" für die Unterstützer, deren Durchschnittsalter so um die 60 gelegen haben muss. An den Wänden hingen Plakate mit diskussionsfernen Begriffen: "Verantwortung", "Zusammenhalt". "Jetzt ist der Moment gekommen", stand auf einem - aber es war lediglich die Zeit der Großeltern.

Angesichts ihrer momentanen Zielsetzungen könnten die Sozialdemokraten genau da enden wo Liberale und Grüne bereits sind: Als nachgeordnete Spieler, die an ihre regionalen Hochburgen gefesselt sind, und deren beste Chance etwas zu beeinflussen darin besteht, als Juniorpartner in eine Koalition zu gehen. Aber es gibt noch immer einige, die sowohl an der Macht, wie auch an der relativen Macht sind. Ihr Erfolg basiert auf drei Lektionen.

Erstens, eine Erneuerung endet mit der nationalen Regierung; sie beginnt dort aber nicht. Mehrheiten und regionale Regierungen erfordern genau die Mischung an Pragmatismus und innovativem politischen Denken, welche Sozialdemokraten brauchen, wenn sie landesweit gewinnen wollen. In Manchester gibt es die dynamsiche Führung mit dem "was funktioniert" Credo, welche Labour dominant hält in einer zunehmend globalisierten Stadt; in Hamburg regiert die SPD wie anno 1969 dank ihrer engen Verbundenheit mit Niedrig- und Mittelverdienern.

Zweitens, man braucht einen Anführer, den die Leute mögen und vertrauen - sowie gute Leute jenseits der eigenen Parteigrenzen - sie sind von großem Wert. Die charismatischsten und vertrauenswürdigsten Sozialdemokraten des Kontinents gehören zu den erfolgreichsten: Emmanuel Macon, Wirtschaftsminister in Frankreich und Herr Muscat in Malta sind zwei Beispiele; zwei andere sind im Rückblick die Herren Blair und Schröder.

Und Europas Sozialdemokraten sollten von ihren Nordamerikanischen Gegenstücken lernen, die so weit ihren Absteig abwenden konnten, indem sie vielgesichtige, pluralistische Koalitionen eingingen, wie die, durch welche Barack Obama zweimal gewählt wurde, eine Koalition, die aus ethnischen Minderheiten bestand, städtischen Liberalen, verunsicherten Dienstleistungsangestellten bis hin zu Mittelschichtseltern und Industriearbeitern. Zu diesem Zweck hat Herr Renzi (unzufälligerweise ein ehemaliger Bürgermeister) sich mit Kanadas neuem Ministerpräsidenten Justin Trudeau zusammengesetzt, um an einer Initiative aus Washington DC teilzunehmen, welche für die Mittelinke weltweit wieder gemeinsame Ziele entwickeln soll.

Eine heterogene Wählerschaft davon zu überzeugen, dass ihre Interessen am besten von einer mittelinken Regierung vertreten werden bedeutet, die eigene Politik anzupassen und Ergebnisse zu liefern. Herr Macron plädiert für mobile und individuelle Leistungen, um dem heute fliessenden, "uber-isierten" Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Andere bevorzugen Neuqualifizierungsprograme, wie in den nordischen Ländern, oder neue Wege der Betreuung für Kinder und Rentner. Solche Ideen bieten mehr, als nur die Populisten links und rechts zu überbieten, oder - wie es der britische Labour Vorsitzende Jeremy Corbyn macht - zurück zur Politik der 1970er zu gehen.

Das vielleicht beste Modell ist Malta. Dort verbrachte die Labour Partei 15 Jahre in der Opposition, gewann zwar zuverlässig die Arbeiterstimmen der Hafens, aber versagte bei der Mittelschicht. Nachdem Herr Muscat 2008 die Führung der verzweifelten Partei übernahm warf er Euroskeptizismus und Dirigismus über Bord und konzentrierte sich auf soziale Mobilität, Bildung und Frauenarbeitsplätze. Die Partei feierte 2013 dann einen Erdrutschsieg und führt die Umfragen nach wie vor an. "Was uns unterschiedlich macht sollte uns unterschiedlich machen", sagte in einem kürzlichen Interview mit The Economist, "und wir vertreten nunmal nicht diejenigen, denen es besser geht, sondern jene, die es gerne besser hätten." Malta ist tatsächlich ein winziges Land mit einer konkurrenzfähigen Wirtschaft. Trotzdem bietet es so etwas, wie einen Weg für den ganzen Kontinent, für den es nicht viele Beispiele gibt.

Wenn sie denn bereit sind zu kämpfen, dann müssen Europas Sozialdemokraten mit neuerdings unsentimentalen und fragmentierten Wählerschaft rechnen wie auch einer Reihe von Rivalen, die darauf aus sind ihnen die Anhänger abstreitig zu machen. Sie werden Entschlossenheit, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft brauchen: Also eine bachtliche Leistung. Sie werden nicht mehr länger weitergetragen von der Welle der Geschichte, sondern müssen oft gegen sie schwimmen Sie müssen sich ihren eigenen Weg bahnen.


Im Original: Rose thou art sick

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