Samstag, 19. März 2016

The Spectator: Was die Menschenschmuggler von Istanbul mit der Abmachung zwischen der EU und der Türkei machen

Bildergebnis für aksaray human trafficking



Nicht viel. Griechenland ist eine Stunde weit weg und die türkische Küstenwache tut nichts, um die Migranten von der Überfahrt abzuhalten. Von Yvo Fitzherbert

Die Läden in einem heruntergekommenen Viertel verkaufen gefälschte Rettungswesten an Flüchtlinge, die über die Ägäis wollen. Letztes Jahr starben fast 4.000 Flüchtlinge bei diesem Versuch. "Aber was soll ich sonst machen?" sagt Erkan, der Ladenbesitzer bevor er mich aus seinem Geschäft drängt. "Ich sage ihnen, dass es Fälschungen sind, aber die armen Seelen kaufen sie trotzdem. Die echten verkaufen sich nicht so gut."

Wir befinden uns in im Vorort Aksaray, dem Drehkreuz des Schmuggels der Stadt. Die Sprache hier ist Arabisch und die Restaurants sind Syrisch. Ein öffentlicher Platz im Ortes dient als Markt für Migrationshändler. Hier werden Träume verkauft. Jede Nacht füllen Horden von Syrern den Platz, mit ihrem Leben im Rucksack und bereit für die gefährliche Reise.

Hinter der Moschee aus dem 19. Jahrhundert gibt es dutzende Wechselbüros. Das sind die Vorderseiten der "Transferbanken", wo Migranten ihr Geld hinterlegen, nachdem sie mit einem der Schmuggler einen Abschluss erzielt haben. Das Geld wird dann weitergegeben, wenn der Flüchtling erfolgreich die Europäische Küste erreicht hat.

Wer in Aksaray nichts findet, der kann es über das Internet versuchen. Arabische Facebook Gruppen bieten eine Reihe von Dienstleisungen. Eine meint, "Istanbul Griechenland, nut 650$ pro Person. Setzen jede Nacht über, ruft Muhammad an für Details."

Genau das habe ich gemacht mit Hilfe von Adbusrrahman, einem syrischen Freund. Der billigste Weg sagt uns Muhammad führt über die Ägäis auf eine griechische Insel. "Sobald man die türkische Küste verlässt kann man Griechenland sehen. Es ist nur eine Stunde weg," versichert er uns, und zählt eine Reihe von Preisen auf: Von 500$ für ein Boot bis 10.000$ für einen gefälschten Europäischen Pass. "Wenn man erst einmal in Griechenland ist, dann hilft das Rote Kreuz und sucht einem ein Land, wo man Asyl beantragen kann." Das ist gelogen - aber genau das haben uns alle Schmuggler gesagt.

Letzte Woche wurde eine neue Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU rausgeblasen und als Durchbruch gefeiert. Die Türken würden die Schmuggelrouten dicht machen und die Flüchtinge zurücknehmen, die es nach Griechenland geschafft haben. Für jeden zurückgenommenen Flüchtling würde dafür ein neuer Flüchtling aus der Türkei in eins der EU Länder gebracht werden. Die EU bietet 6 Milliarden Euro, um die Abmachung zu versüßen - das doppelte von letztem November - und wird dazu türkischen Staatsbürgern die Visafreiheit zubilligen. Die lange hingehaltene Aufnahme der Türkei in die EU wird ebenso schnell durchgeführt. Die EU ist verzweifelt und die Türkei hält die Karten in der Hand. Der Wille der Türkei, wie auch ihre Fähigkeit ihren Teil der Abmachung einzuhalten ist dabei bestenfalls fragwürdig.

In Aksaray taucht keine Polizei auf. Abu Omar, ein auf dem Platz tätiger Schmuggler verlacht das Abkommen mit der Türkei als heiße Luft. "Die türkische Küstenwache macht rein gar nichts," versichert er Abdulrrahman, der sich als potentieller Kunde ausgibt. "Es ist eine Frage von Glück, ob man durchkomme oder nicht." Die neue Brüssler Vereinbarung wird die Glücklosen nicht retten.

Abu Omar ist einer von vielen syrischen Händlern in Aksaray, der Migranten mit Schmugglern verbindet und darauf hofft, am Ende genug Geld zusammensparen zu können, um die Reise nach Europa selbst antreten zu können. Das Geschäft selbst wird von den Türken kontrolliert. "Die Türken sind das Herz der Schmugglerei," erklärt Ahmad, ein Syrer, der heute in Großbritannien lebt - und letztes Jahr zwei Monate auf der Schmuggelroute aus Syrien verbracht hat. "Sie organisieren alles, inklusive der Koordination mit der Polizei und der Küstenwache."

Diesen Monat hat ein türkisches Gericht Schmuggler zu vier Jahren Haft verurteilt, die verantwortlich waren für den Tod von Alan Kurdi, dem drei Jahre alten syrischen Jungen, der letzten September an der türkischen Küste angeschwemmt wurde. Aber solche Rückschläge gab es nur selten und mit Abstand dazwischen und bremsen das Schmuggelgeschäft nicht. Mehr als 110.000 Flüchtlinge sind dieses Jahr schon nach Griechenland gekommen. "Jeder weis, dass niemand die Schmuggler stoppen kann - sie werden immer einen Weg finden," erklärt Ahmad. "Es wird einfach nur teurer werden."

Die letztes Jahr angeschwollene Nachfrage löste einen Boom am billig-und-gefährlich-Ende des Marktes aus, was bedeutet, eine größere Zahl der Flüchtlinge ertrinkt. Mit der EU Abmachung werden die Risiken größer für weitere Überfahrten, vielleicht von der Türkei aus nach Italien oder durch das schwarze Meer. Viele starben auf dem Weg durch die Ägäis, aber die relative Nähe der griechischen Inseln macht es sicherer als durch das Mittelmeer zu fahren.

Von der Türkischen Regierung wird angenommen, dass sie ganz bewusst wegschaut beim Schmuggelproblem, um in Brüssel bessere Karten zu halten. Präsident Erdogan war bei seiner Erpressung recht ehrlich, als er drohte "Migranten mit Bussen nach Europa zu fahren", wenn die EU seine Forderungen nicht akzeptieren würde. Aber selbst wenn sie die Schmuggelnetzwerke zerstören wollten, gibt es Zweifel ob das Erfolg hätte. "Ankara gibt in Brüssel sehr wahrscheinlich Verprechungen ab, die es nicht liefern kann oder will," sagt Aykan Erdemir, ein ehemaliger Oppositionspolitiker, der nun führendes Mitglied der Defense of Democracy Stiftung in Washington ist. "Menschenschmuggler werden die türkischen Behörden genauso austricksen, wie sie die EU Behörden ausgetrickst haben."

Der harnäkig kontroverse Präsident Erdogan ist ein seltsamer EU Partner. Diesen Monat hat er für Schlagzeilen gesorgt, als er die Kontrolle bei Zaman, der führenden türkischen Oppositionszeitung übernahm. Diese Woche hat er den Krieg gegen die kurdischen Milizen im Südosten wieder aufgenommen, und tausende Kurden zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen. Auf neueren Fotos ähnelt die belagerte Stadt Cizre sehr stark Aleppo.

Auch Syrer bekommen die scharfen Kanten von Erdogans nationalistischer Politik zu spüren. Nachdem ers erst eine Politik der offenen Türe angekündigt hat, ist Ankara inzwischen still und leise davon abgekommen. Amnesty International verdammte die illegale Abschiebung von syrischen Flüchtlingen Ende letzten Jahres.

Viele Syrer sind illegal in der Türkei und schauen auf Europa. Aber die EU Abmachung ignoriert die fundamentalen Unterschiede zwischen Europa und der Türkei völlig: Das Recht auf Asyl. Die Türkei hat 1951 die Genfer Konvention unterzeichnet, aber die Verantwortlichkeiten daraus sind begrenzt auf Menschen, die aus Europa fliehen. Flüchtlinge aus dem kriegszerrütteten Mittlern Osten werden als vorübergehende Gäste definiert und sind von Arbeit ausgeschlossen. Die Mehrheit der syrischen Kinder kann nicht einmal Türkische Schulen besuchen.

Zurück in Aksaray spreche ich mit einer weiteren Gruppe Syrer. Die meisten von ihnen arbeiten in Schwarzmarktbäckereien und leben mit ihren Familien in beengten Ein-Zimmer-Appartments in den Außenbezirken von Istanbul. Adnan, ein 22-jähriger Syrer aus Aleppo ist der gesprächigste. Er versucht Geld zu sparen, um nach Europa zu gelangen. Ich frage, ob er türkische Freunde hätte. "Natürlich nicht," sagt er. "Die Türken beuten uns einfach nur aus. Wie können wir da Freunde sein?"

Back in Aksaray, I speak to another group of Syrians. Most of them work in black-market bakeries and live with their families in squalid one-room apartments on the outskirts of Istanbul. Adnan, a 22-year-old Syrian from Aleppo, is the most vocal. He is trying to save enough money to get to Europe. I ask whether he has any Turkish friends. ‘Of course not,’ he says. ‘Turks simply exploit us. How could we be friends?’

Für Adnan steht Europa noch immer für Hoffnung. Aber nicht alle Migranten sehen das noch so. "Vergesst Europa," sagt mir ein Syrer. "Der Traum ist vorbei. Sie wollen uns nicht. Geht zurück nach Syrien und kämpft - das ist jedenfalls was ich machen werde."


Im Original: What the people-smugglers of Istanbul make of the EU’s deal with Turkey

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