Donnerstag, 2. Juni 2016

The Spectator: Die EU hat die "deutsche Frage" nicht beantwortet. Sie hat sie neu gestellt



Von Charles Morre, 4. Juni 2016


"Niemand kann ernsthaft bezweifeln, dass die Europäische Integration dem Ende des deutsch-französischen Konflikts gleichkam und dass die deutsche Frage damit endgültig vom Tisch ist," schrieb Niall Ferguson in der letzten Sunday Times. Ich zögere, wenn ich von einem hochgebildeten Professor eine solche Behauptung entgegen geworfen bekomme. Und ich denke ich würde sie ernsthaft bezweifeln, oder zumindest ernsthaft in Zweifel ziehen. Was dem deutsch-französischen Konflikt ein Ende gebracht hat war der totale Sieg über Frankreich durch Nazideutschland. Die europäische Integration war ein Symptom dieses Endes, nicht dessen Ursache. Und was die deutsche Frage betrifft, ist es nicht etwas verfrüht das zu sagen? Die Eurozone ist das erste große nicht-deutsche Gebiet, das nach 1945 von Deutschland dominiert wird. Es ist eine Katastrophe. In Ländern wie Griechenland haben die ausgelösten Misstände (Massenarbeitslosigkeit, lange Rezzession) die ersten deutschfeindlichen Gefühlen seit dem Krieg ausgelöst. Das moderne Deutschland versucht sich definitiv nicht am "Griff nach der Weltmacht", dessen furchtbare Auswirkungen vor einhundert Jahren diese Woche in Verdun gedacht wurden und auch in Erinnerung an die Skaggeragschlacht.
 
Aber mit Hilfe der Einheitswährung als Hauptwaffe zur erweiterten Europäischen Integration hat das EU Projekt eine neue Störung der Europäischen Ordnung verursacht. Die desaströse Lösung der EU, welche im Falle eines Verbleibs Großbritanniens weiterverfolgt würde (und möglicherweise auch, wenn wir gehen), besteht in der noch tieferen Integration der Eurozone mit einer Fiskal- und Bankenunion. Deutschland wird dies erschaffen. Und damit werden noch mehr deutsche Fragen gestellt als beantwortet.


Im Original: The EU hasn’t settled the ‘German question’. It’s reopened it

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