Freitag, 19. Februar 2016
The Spectator: Furzig, stinkend und verliebt in Putin? Sie müssen mittelalt sein!
Von all den Dingen, die Männer heimsuchen wenn sie die 50 erreichen, ist die Liebe zum russischen Präsidente das seltsamste. Von Rod Liddle, 20. Februar 2016
Es gibt da Dinge, die passieren wenn man älter wird - schlechte Dinge, Oben von Tod und Verderben. Also wenn man die 55 überschreitet. Ein Freund und Kolumnistenkollege etwa beichtete kürzlich, dass er beim Aufstehen aus einer Sitzposition fast immer ungwollt furzt. Eine kleines, delikates "Pfft!" kommt da aus seinem Hinterteil, und das jedes Mal wenn er sich erhebt. Ich bin ein bisschen älter als er und die Erfahrung dieses erbarmungswürdigen Schauspiels steht noch vor mir, etwas, das nur noch eine kleine Schippe an Schlechtigkeit drauflegt, wenn es bergab geht entlang der schmierigen und grimmig fröhlichen Hospizinsassen bis ins Krematorium. Ich habe mittlerweile so viel Angst davor, dass ich beim Aufstehen bewusst langsam mache und meine Arschbacken nur für den Fall der Fälle zusammendücke. Früher oder später wird es passieren, da bin ich mir sicher.
Darüber hinaus gibt es noch anderes Zeugs. Deodorant und Parfum etwa. Sie riechen nicht mehr so wie sie es taten. Heutzutage riechen fünf Minuten nach dem Auftragen sauer: Man kann einen Kackhaufen eben nicht in Gold umwandeln und noch weniger eine Leiche im Wartestand. Die Kater am Morgen danach nerven und nagen wie noch nie und ich kann auch nicht mehr die kohlenhydratreiche Proletennahrung die ich so liebe zu mir nehmen, ohne eine Magenstimmung und eine Verstopfung zu bekommen.
Dann gibt es da die Sinnlosigkeit schönen Frauen hinterher zu schauen. Oh, natürlich kann man schauen - aber sie schauen nicht mehr zurück. Einige rachsüchtige Arschlöcher haben kürzlich eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, ab welchem Alter Männer von Frauen nicht mehr beachtet werden: Die Antwort lautet 50. Just nachdem man diesen wunderbaren Meilenstein erreicht hat sehen sie dich nicht mehr - und unsere offentlichtliche Unsichtbarkeit ist wohlbegründet. Wer die 50 passiert, der hat noch etwa neun Spermazellen in seinen Eiern übrig und die gehen alle an Krücken und keuchen nur noch in ihrer Erbärmlichkeit.
Und dann gibt es da Wladimir Putin. Von all den Dingen, die Männer treffen, wenn sie das Alter erreichen, in dem sie von Frauen nicht mehr wahrgenommen werden, ist die glühende Liebe für den russischen Präsidenten die seltsamste und ersichtlich einmaligste Sache. Ich habe aufgehört die Gelegenheiten zu zählen, bei denen ich mit jemandem in meiner Altersgruppe einen Drink zu mir nahm - egal ob männlich oder weiblich - und sie sich nicht irgendwann zu mir hingelehnt haben, sich umblickend, um sicher zu gehen dass niemand zuhört und flüsterten: "Weist du, ich echt viel übrig für Putin. Der dreht Kreise um den Westen. Man muss ihn einfach toll finden." Das ist aber kein rechtes Phänomen - ich habe es von den linksliberal-progressivsten und politisch korrktesten Universitätsprofessoren gehört, die allesamt die 50 passiert haben: Putin - leistet verdammt gute Arbeit.
Ich nehme an, er bedient ein Bild von Virilität, an die wir uns alle erinnern und in uns selbst melancholisch vermissen. Er handelt darüber hinaus altmodisch entschieden in einer Welt, die sowohl feige ist als auch voller Selbstzweifel. Und seine größere Botschaft in die Welt, an die Chinesen und Moslems, an die religiös empfindenden Menschen Osteuropas und ihren übriggebliebenen Gleichgesinnten hierzulande - es ist eine sozial irgendwie konservative in einer Zeit, in der unsere eigenen Führer von Washington DC über Brüssel bis zu den Antipoden sich schmerzhaft geradeaus mir-nichts-dir-nichts-mäßig verhalten. Wer jenseits der 50 ist, der will das halt nicht immer. Vielleicht gibt es da auch eine gewisse nostalgische Sehnsucht nach Russland als unserem wichtigsten Gegner - einem Feind, den wir kennen und der rational genug ist um mit ihm klar zu kommen, im Gegensatz zu diesen völlig hirnverbrannten kopfabhackenden Islamismusirren, die sich jenseits von Gut und Böse befinden.
Keiner der einzelnen Gründe bringen ihn mir spezifisch näher, auch wenn die Angriffe gegen Putin, in denen ihm Homophobie vorgeworfen wird in mir einen vagen Schimmer Sympathie für den Mann wecken, da bei diesen Verurteilungen meist die eigene Verlogenheit mit am Tisch sitzt. Im allgemeinen aber wirkt er
auf mich wie eine rücksichtslose und tyrannische Nervensäge (was teilweise mit Russlands tausendjähriger Geschichte erklärt werden kann mit den möglichen Ausnahmen Breschnew und Goratschow) und sexuell bei weitem seltsamer als die vorgeblich von der Norm abweichenden, die er angeblich verachten soll.
Aber es gibt ein Aspekt, in der meine Kollegen und ich voll übereinstimmen: Die Darstellung Putins im Westen und die flache parteiische Berichterstattung darüber, worauf Russland genau aus ist. Wir denken, die Europäische Union und die USA haben in der Ukraine nicht weniger gesündigt als gegen uns gesündigt wurde, als das Unterstüzt wurde, was effektiv ein Putsch war gegeneine demokratisch gewählte Regierung. Wir haben weitreichende Erinnerungen, manchmal prä-Chruschtschow Erinnerungen und fragen uns, ob Russland nicht vielleicht eine Art von legitimem Anspruch auf die Krim hat.
Und wir sehen Syrien. Gealtert und desillusioniert wundern wir uns, ob es so stimmt - wie die BBC und die westlichen Politiker beschwren - dass die russischen Raketen wahllos Zivilisten umbringen und insbesondere Kinder, während die präzisionsgesteuerten westlichen Raketen nur stark behaarte Irre umbringen, die in Luton aufgewachsen sind. Nein, wir kaufen das nicht ab. Noch sind wir überzeugt, dass die herbeigeredete syrische Rebellenarmee, die angeblich von Putin beschossen wird a) überhaupt existiert und b) falls sie das tut, sie wohl eher nicht von nennenswert mehr demokratischen Geistern beseelt ist als der Islamische Staat oder Al-Kaida.
Unsere Erinnerungen reichen auch weiter zurück wenn es um die Kurden geht - wir haben diese ohnmächtige Überzeugung, dass wir dieses Volk schon einmal im Stich gelassen haben, um eine türkische Regierung zu besänftigen, die nur dann weniger abstossend ist als Putins Regentschaft, wenn man die Augen mit beiden Händen verdeckt oder sich wegdreht. Wir, die wir beim Thema des Mitteren Ostens mit Pragmatismus und Vorsicht geboren wurden haben angesichts der facettenreichen "Frühlings"-ereignisse den Eindruck, dass Syriens Assad vielleicht furchtbar ist, aber womöglich auch merklich weniger schlimm als die wahrscheinlichen Alternativen. Kurz gesagt, wir denken, dass wir - politisch, kulturell und bauchmäßig - mehr gemeinsam haben mit einem von Putin regierten Russland, als wir es haben mit dem expansionistischen Islam. Aber vielleicht ist das alles auch nur eine Altersfrage und unsere Politiker sollten das mit uns machen, was die attraktiven Frauen auf den Strassen mit uns machen, uns einfach ignorieren.
Im Original: Farty, smelly and in love with Putin? You must be middle-aged
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